Digitaler Kinofilm:Die Effekt-Hascher

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Einfach das Wetter ändern? Ein paar Wale herbeizaubern? Mit digitalen Effekten ist das kein Problem mehr. Doch die Filmbearbeitung bringt so einiges mit sich.

Daniel Steinmaier

Sein Lieblingsvorspann geht so: Erst fährt die Kamera ins Innere der Kuckucksuhr. Dann rast sie durch eine Menschenmenge, in der ein Polizist steht: Der kickt einen Fußball. Mit dem Ball steigt die Kamera auf und schwenkt nach unten, wo die Menschenmasse den Schriftzug "Lola rennt" bildet. Dann stürzt sie hinunter auf Berlin, schwebt durch ein Fenster und bleibt vor einem roten, klingelnden Telefon stehen.

Das rote Telefon ist echt. Aber ansonsten sind im Vorspann von "Lola rennt" jede Menge digitale Effekte zu finden. (Foto: Foto: ap)

Immer wenn er erklärt, was Leute wie er eigentlich genau machen, beschreibt Manfred Büttner die Eingangsszene von Tykwers Film "Lola rennt". Büttner ist Experte für Visuelle Effekte und hat an diesem Vorspann mitgearbeitet. "Der Vorspann für Lola rennt war ziemlich aufwändig", sagt Büttner. Einen Fußball in die Luft treten und die Kamera nebenher fliegen lassen - das geht nämlich gar nicht.

Was bei der Produktion solcher Effekte zu bedenken ist, vermittelt Büttner derzeit den Teilnehmern des "Insight-Out" Symposiums, das einmal im Jahr in der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf in Babelsberg stattfindet. Dort lernen Teilnehmer aus 26 Ländern alles über die digitale Filmproduktion.

Bisher wird an der Filmhochschule Konrad Wolf meist noch mit herkömmlichen analogen 35mm Filmen gearbeitet. Beim "Insight Out" Symposium soll in diesem Jahr nur noch mit digitalen Daten gearbeitet werden. Für Produzenten, Kameraleute, Cutter und Composer ändert sich mit der Umstellung von Analog auf Digital einiges.

Von Analog zu Digital

Auch für diejenigen, die wie Büttner für "VFX", für Visuelle Effekte, zuständig sind. "VFX" sind nicht zu verwechseln mit "SFX", den Spezialeffekten von Pyrotechnikern oder Stuntmen. "SFX" werden direkt am Set gedreht. Die "VFX" dagegen werden nach dem Dreh bei der so genannten Postproduktion am Computer erzeugt.

"Lola rennt" stammt noch aus dem analogen Kinozeitalter. Für die VFX im Vorspann musste Büttners Team den analogen 35mm Film noch einscannen, um ihn mit dem so genannten "Domino-System" digital bearbeiten zu können. Der Fußball wurde als digital animiertes Objekt in den Film eingebaut. Dann wurde der digitalisierte Film wieder auf 35mm Format analogisiert. "Das war vor elf Jahren", sagt Büttner. Heute arbeite mit dem "Domino-System" natürlich niemand mehr. "Die Halbwertszeit solcher Techniken liegt bei circa zwei Jahren."

Heute könnte man das anders machen. Bei "Insight Out" wird demonstriert, was der derzeitige "State of the Art" der digitalen Filmproduktion ist. Man muss den analogen 35mm Film nämlich nicht mehr scannen, um ihn nach der Bearbeitung wieder zu analogisieren. Heute käme das Material gleich digital aus der Kamera.

Digital ist auch nicht einfach

Diesen "Workflow", wie man die Abfolge der Produktionsschritte von den Vorbereitungen bis zum Kino nennt, in seiner rein digitalen Form zu zeigen, ist das Ziel der diesjährigen "Insight Out". Filmstudenten sollen die Möglichkeit bekommen, neueste digitale Filmtechnik auszuprobieren. Dazu hat "Insight Out" verschiedenste Hersteller von digitalen HD-Kameras und anderem digitalen Filmbedarf eingeladen. Bei der kleinen Messe kann man jetzt digitales Film-Equipment im Gesamtwert von über einer Million Euro ausprobieren.

Die konkurrierenden Firmen stellen aber ihre Produkte nicht nur aus, sondern müssen zusammenarbeiten, wie Ulrich Sparrer von der Filmhochschule Konrad Wolf betont. In der Praxis müsse man sehen, "was passiert, wenn man zum Beispiel mit einer SonyF23 auf Speicherkarte aufzeichnet, die Daten dann auf einen Server packt und dann mit Programmen anderer Firmen am Material arbeitet."

Aufgrund der unglaublichen Vielzahl von digitalen Filmformaten, entsprechenden Konvertierungsproblemen und verschiedenen Farbprofilen sei fraglich, "ob das farbige Filmbild am Ende auch so auf die Leinwand kommt, wie der Filmkünstler es haben wollte", sagt Sparrer. Zwar fallen die chemischen Entwicklungsschritte des herkömmlichen Films beim digitalen Film weg. Einfacher scheint der digitalisierte Workflow aber nicht geworden zu sein.

Niemand sieht seine Arbeit

Büttner, dessen Beschäftigung mit digitalem Film 1985 mit einer Diplomarbeit anfing, will sich nicht darauf festlegen, dass Digital per se besser sei als Analog. "Es kommt darauf an, was man für einen Film machen will." Dann könne man über die geeignete Technik entscheiden.

Derzeit arbeitet er als Consultant für Visuelle Effekte in der Vorproduktion von "Der Baader-Meinhof-Komplex" mit, der ab Herbst in den deutschen Kinos zu sehen sein soll. Mit Moritz Bleibtreu als Andreas Baader.

Vom Technik-Freak, der den Dreh am Set am liebsten durch Computeranimation ersetzen würde, ist Manfred Büttner weit entfernt. Dass statt realer Schauspieler programmierte Wesen auf der Leinwand erscheinen, findet er "nicht erstrebenswert". "Echte Menschen mit ihren Macken und Besonderheiten sind spannender."

Der Spezialist für digitale Effekte arbeitet eher an verborgenen Dingen. So etwa bei Polanskis "Oliver Twist". In manchen Szenen haben Büttner und seine Mitarbeiter dort den Himmel ausgetauscht. Denn bei modernen Produktionen habe "niemand mehr die Geduld, wochenlang auf das richtige Wetter zu warten". Dass der Rezensent der Süddeutschen Zeitung dann schrieb, "Oliver Twist" sei endlich mal ein Film ohne Effekte, habe ihn geehrt. "Wenn niemand meine Arbeit sieht, ist das die größte Anerkennung."

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