Obwohl etablierte Formen der Informationsbildung, zum Beispiel aus Tageszeitungen und Magazinen, als "Mainstream Media" verspottet werden (sie gelten als korrumpiert, hierarchisch, hirngewaschen, langsam und überaltert), obwohl der Schwarmgeist also triumphieren möchte, darf erinnert werden: Es macht immer noch den Unterschied, wer etwas sagt. Und wo er es tut.
Die etablierten Medien verfügen über rigide Aufnahmeverfahren und praktizieren bei journalistischem Fehlverhalten im besten Fall Sanktionierungen. Es darf also eben nicht jeder überall mitschreiben - und der, der schreibt, macht dies nie unbeobachtet und zum Beispiel auf der freien und anonymen Wildbahn der Wikipedia, die so einfach anzuklicken ist und wohl auch deshalb vor Fehlern strotzt. Was aber wiegt dann mehr? Dass das immer elitäre Denken der Mainstream-Medien im Zweifel undemokratisch ist? Oder, dass daraus Qualität entsteht?
Der Unterschied besteht
"Die Mainstream-Medien", schreibt Nicholas Carr, "können Dinge tun, die anders sind als die Dinge, die Blogs tun können - und, ja, sie sind auch bedeutender." Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, hat kürzlich einen Preis für Deutsche Sprache erhalten. In seiner Dankesrede hat er die Qualitätszeitung als retardierendes Moment in der gesellschaftlichen Kommunikation bezeichnet und sie dafür gelobt, dass sie zwar langsamer als das Internet auf Ereignisse reagieren kann, dafür aber fundierter. Das mag man im Echtzeit-Informationszeitalter rührend finden. Zumal Schirrmacher konstatiert, dass "Zeitung und Internet konstitutiv sind für den, der ein aufgeklärtes Leben führen will".
Diese Rede ist von Spiegel Online auf eine Art und Weise zusammengefasst worden, die dem Netzaffen Zucker geben musste. Im Diskussionsforum des Nachrichtenportals gab es denn auch die erwartbare Ereiferung: "Schirrmacher ist gefährlicher als Rolliban Schäuble", "schon immer etwas rückständiger", "gleichgeschaltete Mainstreammedien", "typisch deutscher Manager", "jämmerlich altersschwach", "dummes Reaktionsschema" - und so weiter.
Schirrmacher hat auf die Polemik und die Eskalation im Netz reagiert und bei Spiegel Online eine Art kommentierter Lesehilfe nachgereicht. Auch diese Gebrauchsanweisung wurde natürlich wieder kommentiert. Unter anderem so: "Was soll man denn davon halten, wenn Schirrmacher . . . die Vorteile der Tageszeitungen quasi als Gegenmittel gegen die negativen Momente und Folgen des Internets anpreist? Hier wird natürlich ein Qualitätsgegensatz zwischen beiden Medien herbeigeredet."
Nein, ihr Lieben, der wird nicht herbeigeredet. Der besteht.
"Die Menschen", schreibt Norbert Bolz, "werden immer mehr zu - wie man im Mittelalter sagte - idiotae: also zu eigensinnig Wissenden. Die neuen Idiotae lassen sich ihr Wissen, ihre Interessen und Leidenschaften nicht mehr ausreden." Mag sein. Verlangt ja auch keiner. Aber sollen wir uns deshalb von jeder Idiotie in die Zukunft führen lassen?