Debatte um Gewalt-Spiele:"Counter-Strike ist nicht realitätsnah"

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Wieder gab es einen Amoklauf an einer deutschen Schule, wieder war der Täter ein Fan des gewaltverherrlichenden Computerspiels "Counter-Strike". Politiker fordern ein Verbot, doch Thomas von Treichel von World Cyber Games nimmt das umstrittene Spiel auch nach Emsdetten in Schutz.

Bernd Graff

Amoklauf im Münsterland. Ein Täter, offenbar mit Hang zum Martialischen, schießt auf Schüler und Lehrer. Schnell sickert durch: Der Achtzehnjährige hat angeblich auch gewalttätige Computerspiele gespielt, sogenannte Shooter, vor allem Counter-Strike.

Menschenjagd mit dem Messer: Eine Szene aus dem Computerspiel Counter-Strike. (Foto: Foto: dpa)

Ja, er sei sogar in der Lage gewesen, eigene Szenarien, also neue Spielorte für dieses Spiel zu programmieren. Und eines dieser Szenarien sei die Schule gewesen, in der er nun real auf Menschen schoss.

Unter führenden deutschen Politikern ist nun die Debatte um solche gewaltverherrlichende Computerspiele erneut entbrannt. Vertreter von SPD und der Union haben sich für ein Verbot ausgesprochen.

Ein Gespräch mit Thomas von Treichel, dem Pressesprecher der World Cyber Games, das sind die Olympischen Spiele der Online-Gamer, Wettkämpfe an vernetzten Computern also, in denen auch Counter-Strike gespielt wird. Von Bernd Graff

SZ: Herr von Treichel, Sie kannten den Mann?

Von Treichel: Nicht persönlich. Aber wir haben eine große, sehr aktive und sehr kommunikative Community. Nachdem die ersten Gerüchte aufkamen, der Täter sei Counter-Strike-Spieler gewesen, haben wir sehr schnell Indizien dafür gefunden, wer der Täter sein könnte und haben geprüft, ob er einer unserer Spieler war.

Es gibt eine Reihe Webseiten, die ihn zeigen, dazu Beiträge in Diskussionsforen und ins Internet gestellte Videos, die wohl auch von ihm stammen. Er könnte wohl auch einmal Counter-Strike gespielt haben.

SZ: Viele dieser angeblich von ihm stammenden Links laufen inzwischen ins Leere. Doch was man vor ihrer Abschaltung sah, war schockierend und gruselig: Diskussionsbeiträge zum Bombenbau aus Pflanzendünger, eine Hommage an die amerikanischen Amokläufer des Highschool-Massakers in Littleton aus dem Jahr 1999, der unverhohlene Ruf nach Anarchie, eine Favoritenliste mit Splitter-Inhalten, ein Video, das ihn schwer bewaffnet und in Tarnkleidung durch Wälder streifend zeigt. Sind das Ihre Spieler?

Von Treichel: Eben nicht. Alles deutet darauf hin, dass der Täter krankhaft aggressiv und militaristisch war und seine Phantasien offen zur Schau trug. Er hat vielleicht auch mal Counter-Strike gespielt, aber er war keiner unserer Spieler.

Denn in diesem Spiel geht es um Teamplay und Taktik, also um Besonnenheit, nicht um die Befriedigung persönlicher Aggressionen. Es ist ein Sportspiel, an dem über eine Million Spieler teilnehmen, allein für Counter-Strike sind es an die 400.000. Strategie und Kommunikation stehen im Vordergrund. Nur kooperierende Teams haben Erfolg. Aggressive Einzelgänger haben dagegen keine Chance.

SZ: Es heißt aber, er habe die Schule, in der er den Amoklauf schließlich verübte, zuvor mithilfe von Counter-Strike nachgebaut. Er habe also gewissermaßen eine dreidimensionale, digitale Landkarte für seine Tat erstellt, um sein Vorhaben minutiös zu planen. Trainiert Counter-Strike für solche Wahnsinnstaten?

Von Treichel: Nein. Es ist zwar möglich, eigene Maps für dieses Spiel zu erstellen, aber das ist nicht einfach und äußerst zeitaufwendig. Wollte man eine solche Tat wirklich planen, dann wäre es wesentlich einfacher, die Schule aufzusuchen, um sich ein Bild vor Ort zu machen. Selbst Skizzen auf Papier gäben bessere Auskunft. Counter-Strike stiftet hier keinerlei Erkenntnisse.

SZ: Aber es zieht solche Leute an.

Von Treichel: Und enttäuscht sie sofort. Denn Counter-Strike ist alles andere als realitätsnah. Wir spielen immer noch die inzwischen sieben Jahre alte Version, die auf gesteigerten Realismus verzichtet. So hat die Waffe in Counter-Strike kein Gewicht, es gibt keinen Rückstoß, man kann durch Tastendruck nachladen.

Nicht einmal die Szenarien sind realistisch dargestellt. Niemand kann sich hier auf eine grausame Tat vorbereiten. Wir können solchen Leuten also nicht geben, was sie vielleicht suchen. Computerspiele sind Werkzeuge zur Kommunikation, nicht zur Feindschaft. Analogien für Counter-Strike liegen eher bei den klassischen Brettspielen als in der Realität.

(

© SZ vom 21. November 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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