Datenverschlüsselung:Hör mal, wer da sendet

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Ob Handy-Gespräch oder Online-Banking: Fast jede Form von Datenübertragung kann abgehört und missbraucht werden. Verschlüsselungstechnik ist deshalb auch im privaten Sektor von immer größerem Interesse.

Von einem Geheimwissenschaftler oder James Bonds verschrobenem Tüftler "Q" hat Henning Krieghoff so gar nichts an sich. Mitteilsam, verbindlich und freundlich ist er - und zugleich der Kopf der Adlershofer Firma Rohde & Schwarz SIT, die mit ihren 120 Mitarbeitern Europas Marktführer in Sachen Verschlüsselungstechnik ist.

(Foto: Foto: iStockPhoto)

Bis vor 15 Jahren war die Kryptologie jedoch tatsächlich noch eine Geheimwissenschaft, die vor allem Regierungen, Armeen und Nachrichtendienste nutzten.

"Mit dem Aufkommen der mobilen Kommunikation und des Internets geht das Thema immer mehr auch die Wirtschaft an", sagt Krieghoff. Das sieht Udo Helmbrecht, Leiter des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), genauso: "Informationsinfrastrukturen sind für unsere Gesellschaft und Volkswirtschaft das, was für unseren Körper die Nervenbahnen und das Gehirn darstellen", sagte er unlängst auf einer Sicherheitstagung.

Allein über den elektronischen Zahlungsverkehr zwischen Banken würden jährlich rund 100 Billionen Euro transferiert. "Diese Technik-Revolution beinhaltet auch neue Gefahren." Besonders, da sie sich zum großen Teil auf dem freien Markt und nicht unter einheitlicher Kontrolle abspielt.

Diebstahl vertraulicher Informationen

Während es vor ein paar Jahren vor allem Jugendliche gewesen seien, die sich durch spektakuläre Hackeraktionen in der Szene einen Namen machen wollten, seien die Datenklau-Angriffe der jüngsten Zeit bösartiger - und schwieriger zu entdecken.

"Die heutigen Täter wollen alles andere als PR", betont Helmbrecht. "Ihre Programme sollen möglichst im Stillen arbeiten und nicht entdeckt werden. Oft werden sie gezielt platziert, um vertrauliche Informationen aus Unternehmen abgreifen zu können oder um mittels so genannter Bot-Netze - einer Armee von unter Kontrolle gebrachten Rechnern - Firmen zu erpressen oder Spam im großen Rahmen zu verteilen."

So bietet allein die mittlerweile gängige drahtlose Datenübertragung zahlreiche Angriffspunkte: WLAN- ebenso wie Infrarot- und Bluetooth-Technik oder allgemeiner Handyverkehr können manipuliert werden. Legal oder eben illegal.

Interne Daten schützen

Ein Horrorszenario beispielsweise für eine Pkw-Hersteller: Autofirma xy will einen neuen Kfz-Antrieb auf den Mark bringen und die Entwicklungsdaten darüber - natürlich - geheim halten. "Nichts wäre schlimmer, als wenn die Konkurrenz die Idee klaut und sie billiger nachbaut", sagt Krieghoff.

Interne Daten schützen - das geht über vorgeschaltete Verschlüsselungssysteme für Fax, Telefon und Internetanschlüsse, die die übermittelten Nachrichten mittels komplexer mathematischer Algorithmen für den Lauscher oder Hacker von Außen unverständlich machen.

Noch sensibler sind Regierungs- und Militärgeheimnisse, die nicht in unbefugte Hände geraten dürfen. Hier hat jede Nation ihr eigenes Verschlüsselungssystem, das Funk- oder Telefonkontakte für fremde Geheimdienste abhörsicher macht.

Abhörantennen auf Botschaftsgebäuden

Krieghoff grinst: "Das geht soweit, dass jeder Regierungschef eine Batterie verschiedener Endgeräte auf dem Schreibtisch stehen hat: Wenn Frau Merkel Herrn Bush anruft, wählt sie das deutsche System. Ruft Bush jedoch Merkel an, muss sie zum amerikanischen Gerät greifen."

Er selbst greift zu einem unscheinbaren Handy, das auf dem Tisch liegt: Ein Krypto-Telefon, das durch einen einzigen Knopfdruck zu 95 Prozent abhörsicher ist. "Das macht zum Beispiel im Berliner Regierungsviertel Sinn. Denn diese seltsamen Kunst-am-Bau-Gebilde auf den Botschaftsgebäuden sind meist Abhörantennen", sagt der Experte.

Immer noch kommen 80 Prozent der Aufträge des Berliner Unternehmens aus dem Regierungs- und Militärbereich, nur 20 Prozent aus der freien Wirtschaft. So hat Rohde & Schwarz SIT jüngst einen weiteren 12-Millionen-Euro-Auftrag von der Nato für multifunktionale Verschlüsselungsgeräte bekommen.

Ganz sicher gibt es nicht

Insgesamt wurden 2005 rund 2500 Krypto-Geräte verkauft, darunter auch besonders robuste, wetterunempfindliche "Kästen", die bei Bundeswehr-Einsätzen in Panzern und Flugzeugen die Funk- und Telefonkontakte verschlüsseln. Wenngleich die derzeitigen Systeme auch hochkomplex sind - 100 Prozent unknackbar sind sie nicht, vor allem wenn Geheimdienste oder Hacker leistungsfähige Computer zur Verfügung haben.

Die Kryptologen setzen deshalb - wie viele andere Wissenschaftsdisziplinen auch - auf die Quantenphysik. Ansätze für eine Quantenkryptographie, die mittels veränderter Quantenzustände von Kleinstteilchen Informationen via Licht übermittelt, sind schon in der Erprobung. Ein Schweizer Unternehmen bietet ein entsprechendes System sogar bereits auf dem Markt an.

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