Computerkriminalität:Russlands digitales Dilemma

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Russland will nicht länger als Brutstätte für Softwarepiraterie und Viren gelten und geht konsequent gegen die Schattenwirtschaft im eigenen Land vor

Russland hat das Bestreben zur Eindämmung der ausufernden Software-, Musik- und Video-Piraterie bekräftigt. "Wir sind uns des Problems bewusst. Wir hoffen, dass wir es in nächster Zeit lösen können", sagte der russische Telekommunikationsminister Leonid Reiman der Deutschen Presse-Agentur auf der ComputermesseCeBIT in Hannover.

Softwarepiraterie: Falsches Bild des Westens von Russland und China (Foto: Foto: dpa)

Bei der Bekämpfung der Computer-Kriminalität gehen die russischen Behörden nach seinen Worten bereits entschieden vor. Reiman sprach sich außerdem für eine starke Rolle des Staates bei der Entwicklung der russischen Telekom-Infrastruktur aus. Erste UMTS-Netze in mehreren Großstädten sollen nach Planungen der Regierung in diesem Herbst den Betrieb aufnehmen. Die Lizenzen werden ohne eine Versteigerung von einer Kommission zugeteilt.

Spam und Viren nicht nur aus Russland

"Probleme mit Urheberrechtsverletzungen wie Piraterie oder illegale Kopien gibt es nicht nur in Russland, sondern auch in den westlichen Industrieländern", betonte Reiman. Russland habe in den vergangenen Jahren bereits Fortschritte gemacht. So seien mehrere Fabriken zur Herstellung illegaler CD- und DVD-Kopien geschlossen worden. Mit einer Novelle des Zivilrechtscodes sollen bisherige Gesetzeslücken geschlossen werden.

Russland gilt im Westen neben China als Land mit Urheberrechtsverletzungen auf breiter Front. IT-Sicherheitsexperten zählen das Land neben China und Lateinamerika auch zu den Regionen, aus denen die meisten Spam-Mails und Virenprogramme herkommen. Dies sei "einer dieser Mythen", sagte Reiman. "Viren werden überall auf der Welt geschrieben. Russland führt einen konsequenten und auch erfolgreichen Kampf gegen Schadsoftware." Der russische Minister sprach sich dafür aus, rechtliche Grundlagen dafür zu schaffen, um Internet-Kriminalität über nationale Grenzen hinweg verfolgen zu können.

Die geringe Beteiligung großer internationaler Konzerne in der russischen Telekom-Branche erklärt Reiman als eine "Besonderheit des Marktes". Die russische Regierung begrüße ausländische Investitionen. "Der russische Telekommunikations-Markt ist sehr offen". So seien skandinavische Anbieter wie Telenor, Telia, Sonera in Russland aktiv. Russische Gesellschaften seien inzwischen selber erstarkt und schauten sich nach einer Expansion im Ausland um.

Wirtschaftliche Gründe

"Die Teilnahme des Staates an der Entwicklung der Telekommunikation ist zweifelsfrei notwendig", betonte Reiman. Dies sei auf Besonderheiten zurückzuführen wie eine schwache Ausgangslage vor allem in ländlichen Gebieten, die schiere Größe des Landes bei einer sehr niedrigen Bevölkerungsdichte und geringe Einkünfte großer Teile der Bevölkerung. Russland seinen eigenen "digitalen Graben".

"Große Städte wie Moskau oder St. Petersburg sind sehr gut mit modernsten Telekom-Dienstleistungen versorgt. Und in benachbarten kleinen Ortschaften gibt es manchmal sogar gar kein Telefon" erklärt Reiman.

Der Staat greife in manchen Fällen mit direkten Investitionen ein, beispielsweise mit einem Programm zur Entwicklung der Telekom-Infrastruktur auf dem Lande. Die russischen Telekom-Anbieter unterhalten außerdem seit 2004 eine Art Solidaritätsfonds, aus dem sie den Netzbetrieb in unprofitablen Regionen subventionieren.

Digitale Aufklärung soll helfen

"Aus diesen Mitteln werden jetzt zum Beispiel öffentliche Fernsprecher in Ortschaften aufgestellt, in denen es bisher überhaupt nichts gab", sagte Reiman. In Orten mit mehr als 500 Einwohnern werden zusätzlichin den lokalen Postämtern Internet-Zugangsstationen eingerichtet.

Dieses Programm solle 2008 abgeschlossen werden. Ab da solle es darum gehen, jeden Haushalt mit einem Telefon auszustatten. Bis Ende dieses Jahres sollen auch alle knapp 53 000 Schulen des Landes mit einer Internet-Verbindung ausgestattet werden. Zum Start des Programms habe nur etwa ein Fünftel von ihnen einen Internet-Zugang gehabt.

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