Black & White:Wahrhaft göttlich

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"Black & White": Göttlicher Hype oder teuflisches Meisterwerk? Falscher Prophet oder Messias des Strategiegenres? An dem neuestem Titel des Godgame-Schöpfers Peter Molyneux, der bereits mit seinen Werken "Populus" und "Dungeon Keeper" zu legendären Designerehren kam, scheiden sich die Geister.

Gerd Hilber

Selbst die Fachpresse, die in der Vorberichterstattung mit Superlativen und Lobeshymnen in Bezug auf den Hoffnungsträger nicht geizte, zeigte sich letztendlich aufgrund der selbstverschuldeten, immensen Erwartungen an den Titel eher enttäuscht, gab aber dennoch Bestnoten. Der Kunde ist zu Recht verwirrt.

Bewertung: 5 = super / 4 = schön / 3 = nett / 2 = geht so / 1 = bescheiden /0 = daneben (Foto: Screenshot: Black & White)

Was die Entwickler von Lionhead da auf die Beine gestellt haben, wird lange Zeit seinesgleichen suchen und wie die anderen Molyneux'schen Projekte zweifellos in die Geschichte der modernen Softwareunterhaltung eingehen. Die Liste der grandiosen Innovationen und konsequenten Weiterentwicklungen bekannter Strategie-Features dürfte wohl genauso lang sein wie der Weg, den die verkörperte Gottheit zu Beginn des epischen Abenteuers zurücklegt, um einen unvorsichtigen Jungen vor dem Ertrinken zu bewahren. Fortan wird das fast allmächtige Alter Ego des Lenkers und Leiters vor dem Bildschirm vom dankbaren Volk des Nichtschwimmers angehimmelt. Ob sich die Einwohner der Inselwelt durch ihr Bitten und Beten jedoch Fluch oder Segen in ihre Welt geladen haben, liegt sprichwörtlich in der Hand des Spielers. Fünf Finger sind nämlich das einzige Abbild des göttlichen Wesens auf Erden - Pardon - Eden.

Gut oder Böse, die dunkle oder die helle Seite der Macht. Der User hat die Qual der Wahl, nahezu unbegrenzte Möglichkeiten und zwei kleine Helferlein, die sein Gewissen repräsentieren und sich bei so mancher wichtigen Entscheidung zu Wort melden. Stilecht handelt es sich bei den beiden natürlich um einen Teufel und einen freundlichen Opa mit engelsgleichem Erscheinungsbild und Regenbogenrauschbart. Gleichzeitig fungieren die konträren Charaktere als geduldige Lehrer, die den Spieler mit den sehr intuitiven Steuerungselementen, den Bedürfnissen seiner Jünger, dem Basisbau und der Aufzucht eines tierischen Götterboten vertraut machen. Der letzte Punkt gehört sicherlich zu den Highlights von "Black & White". Ein Vergleich mit der Tamagotchi-Brut aus Fernost ist angebracht, da der Kreatur - Affe, Kuh und Tiger stehen anfangs zur Verfügung, weitere lassen sich auf der Homepage des Distributors EA downloaden - vom Fressen bis hin zum mächtigen Feuerzauber so ziemlich alles beigebracht werden muss. Darunter auch so banale Dinge, wie Steine in die Pampa zu schleudern oder ein Häufchen auf die Kornfelder der Bauern zu machen, wodurch das Getreide gleich noch mal so gut wächst. Der animalische Vertreter besitzt ein eigenes Innenleben, zeigt seine Gefühle gegenüber dem Spieler durch eine herrliche Gestik und verändert je nach Gesinnung langsam sein Aussehen. Die Palette reicht dabei von der Gold glänzenden Grinsekatze bis hin zur Furcht einflößenden Bestie mit scharfen Klauen und diabolischem Blick.

Doch wozu eigentlich die ganze Mühe? Natürlich hat "Black & White" ein Spielziel, das im Groben darin besteht, den mächtigsten aller Götter - den grausamen Nemesis - von seinem Olymp zu stürzen. Um dies zu erreichen, schmälert der Spieler nach und nach den Einflussbereich des Despoten. Dies geschieht dadurch, dass dessen Jünger kurzerhand konvertiert werden. Das eigene Handeln auf Erden, unzählige Magieformeln und die Präsenz des Geschöpfes wirken dabei wahre Wunder.

Doch "Black & White" bietet mehr als konventionelle Aufbaustrategiekost. Gerade die liebevolle Detailflut, die beim veränderbaren Firmenlogo in der Einleitungssequenz beginnt, sich über das Austauschen des Covers der DVD-Verpackung erstreckt und bei den fast unbegrenzten Interaktionsmöglichkeiten mit der digitalen Welt aufhört, beschert "Black & White" einen Platz in den Designer-Ruhmeshallen. Die göttlich-geniale Grafik mit seiner unglaublichen Zoomfunktion, die spektakulären Zaubersprüche, die atmosphärisch dichte Sounduntermalung, das pflegeintensive Aufziehen der Kreatur, deren Duelle mit anderen Wesen, die reine, aber kinderleichte Maussteuerung, bei der kurzerhand die mächtigen Wunderformeln auf den Boden gezeichnet werden, vertretbare Hardwareanforderungenund ein kongenialer Internetsupport machen "Black & White" schließlich zu einem unvergesslichen Spieleerlebnis. Da stören auch die teilweise nervigen Aufgaben der Bewohner nur wenig, die durch silberne und goldene Schriftrollen signalisiert werden und bei Vollendung mit unglaublichem Gottvertrauen, materiellen Werten oder sogar mit einem neuen Geschöpf belohnt werden.

Quelle: Teleschau - der Mediendienst

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