Bits werden zu Papier:Wikipedia.de erscheint als 100-bändige Printausgabe

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Die Zenodot Verlagsgesellschaft gab heute bekannt, dass Wikipedia.de vollständig als gedrucktes Lexikon erscheinen wird. Der Verlag sieht das geplante 100-bändige Werk als preiswerte Alternative zu solchen hochwertigen Klassikern wie Brockhaus und Encyclopaedia Britannica.

Hans-Christian Dirscherl

Die deutschsprachige Wikipedia erscheint ab 2007 komplett als gedrucktes Lexikon (Codename: "WP 1.0). In 100 Bänden, jeder 800 Seiten stark, insgesamt also rund 80.000 Seiten. Anders als Platzhirsch Brockhaus werden die Wikipedia-Bände allerdings im Taschenbuchformat erscheinen.

Wie die Zenodot Verlagsgesellschaft mitteilte, geht ab Oktober 2006 der erste Band der deutschsprachigen Wikipedia in Druck. Ab 2007 sollen monatlich zwei Bände erscheinen, die zum Subskriptionspreis von 14,90 Euro vorbestellt werden können. Das Lexikon soll im Dezember 2010 abgeschlossen sein.

Die Verantwortlichen gehen davon aus, dass in dieser Zeit etwa eine halbe Million Stichwörter zu bearbeiten sind. Dafür stellt Zenodot ein 25-köpfiges Team zusammen, darunter 15 Redakteure. Ein unabhängiger wissenschaftlicher Beirat von Fachleuten soll zusätzlich die Inhalte überprüfen.

Anders als bei einem klassischen Lexikon à la Brockhaus muss das Zenodot-Team nicht in erster Linie Inhalte erstellen. Denn diese liegen ja schon vor. Der Schwerpunkt der redaktionellen Arbeit am Wikipedia-Lexikon wird deshalb die Korrektur und Schlussredaktion der vorliegenden Texte und das Lektorat des Gesamtwerkes sein.

Wer die gedruckte Wikipedia jetzt verbindlich vorbestellt, bekommt das Lexikon zum Preis von 14,90 Euro pro Band. Der spätere Preis soll 18,50 Euro pro Band betragen. Der günstige Verkaufspreis erklärt sich aus der Tatsache, dass keine Autorenhonorare anfallen die Texte liegen wie erwähnt ja schon vor - und andererseits durch den Druck als Taschenbuch.

Allerdings stellt sich die Frage, ob das Taschenbuchformat geeignet für ein Lexikon ist? Taschenbücher leiden stärker unter häufiger Benutzung und gehen leichter aus der Bindung. Taschenbücher verfügen zudem über keinen schützenden Goldschnitt, wie ihn beispielsweise der Brockhaus besitzt. Der Goldschnitt dient nicht nur der optischen Aufwertung, sondern schützt das Papier zusätzlich vor Alterungsprozessen. Ob ein Lexikon im Taschenbuchformat im täglichen Einsatz aber die Langlebigkeit einer Enzyklopädie mit festem Einband erreicht, darf bezweifelt werden.

Andererseits beschreitet Zenodot mit einem Lexikon im Taschenbuchformat kein völliges Neuland. Auch den Brockhaus gab es beispielsweise einmal als günstige dtv-Ausgabe.

Stellt sich die Frage nach dem Sinn dieses Projekts: Denn der Reiz von Wikipedia liegt ja in seiner Aktualität und seiner Verfügbarkeit von jedem Ort der Welt aus, sofern ein Rechner und eine Internetverbindung vorhanden sind. Diese Vorteile gehen bei der Printausgabe völlig verloren. Unter dem Gesichtspunkt der Benutzbarkeit und der Aktualität gibt sich die gedruckte Ausgabe von Wikipedia.de also wie ein konventionelles Lexikon.

Zendot hält dem entgegen, dass man mit der gedruckten Ausgabe von Wikipedia.de eine andere Zielgruppe ansprechen möchte: Lexikonnutzer, die nur selten oder nie auf wikipedia.de gehen und dieses Lexikon bisher überhaupt nicht nutzen. Außerdem wolle man damit "den Schatz des von Tausenden freiwilliger Autoren und Fachleuten zusammengetragenen Wissens für die Zukunft" sichern. Die gedruckte Ausgabe verstehe sich also nicht als Alternative zur Online-Ausgabe.

Mit der gedruckten Wikipedia.de will Zenodot ein Lexikon auf den Markt bringen, das sich preislich deutlich vom Brockhaus absetzt. Somit soll Wikipedia nicht direkt mit dem Brockhaus konkurrieren.

Auf das Team von Zenodot kommt einiges an Arbeit zu. Die Artikel müssen nicht nur gesichtet und korrigiert, sondern gegebenenfalls auch in der Länge angepasst werden. Artikel, die bisher nicht in der wünschenswerten Qualität vorliegen, sollten von der Wikipedia-Community überarbeitet werden. In diesem Zusammenhang wünscht sich Zenodot, dass die Wikipedianer vielleicht etwas mehr nach dem Alphabet vorgehen und mit der Überarbeitung von weniger gelungenen Beiträgen beim Buchstaben "A" beginnen.

Die für die gedruckte Ausgabe erforderlichen Korrekturen und Ergänzungen fließen dann wieder in die Online-Ausgabe zurück, wie Zenodot betont. Damit würde die Online-Enzyklopädie an Verlässlichkeit und Stabilität gewinnen.

Allerdings stellt sich in diesem Zusammenhang noch eine andere Frage: Wie reagieren enthusiastische Wikipedianer darauf, dass ihr Content, den sie kostenlos erstellt haben, nun kommerziell verwertet wird? Denn so mancher Autor von Wikipedia.de dürfte sich die Nächte um die Ohren schlagen, um einen seitenlangen und umfassend informierenden Beitrag für Wikipedia zu erstellen.

Zenodot verweist hierfür auf die "GNU-Lizenz für freie Dokumentation (GNU FDL). Diese Lizenz erlaubt es, Artikel aus der Enzyklopädie zu bearbeiten und weiter zu verbreiten, sei es kommerziell oder nicht kommerziell, ohne die Zustimmung des jeweiligen Urhebers einholen zu müssen.

Wikipedia.de als 100-bändiges Lexikon soll zudem keine Konkurrenz zu den Wikipress-Bänden (mit ausgewählten thematischen Schwerpunkten) sein. Diese würden weiterhin erscheinen und nicht durch die Komplett-Ausgabe ersetzt.

Beim renommierten Brockhaus-Verlag gibt man sich zumindest nach außen hin gelassen. Pressesprecher Klaus Holoch betonte gegenüber sueddeutsche.de, dass Brockhaus und Wikipedia nicht vergleichbar seien. Brockhaus sei eine verbürgte Marke mit geprüfter Qualität. 100 Mitarbeiter in Redaktion und Lektorat würden am Brockhaus mitarbeiten - zusätzlich zu den freien Autoren. Wikipedia sei ein spannendes Projekt, aber keine Enzyklopädie, sondern eher eine Sammlung von Einzelartikeln, so Holoch.

Der aktuelle Brockhaus wird derzeit als 30-bändiges Lexikon gerade neu herausgebracht. Ein Band kostet ab 83 Euro, bei Vorauszahlung des Gesamtpreises werden 2397 Euro fällig. Außerdem gibt es den Brockhaus auch als digitale Version auf DVD-ROM und USB-Stick für 499 Euro.

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