Birmanischer Internet-Aktivist:"Mehr Augen schauen auf unser Land"

Lesezeit: 2 min

Der 24 Jahre alte Exil-Blogger Ko Htike über Online-Proteste, die Schwierigkeit, an Informationen aus Birma zu kommen und die Hoffnung, dass der Freiheitskampf seiner Landsleute noch nicht zu Ende ist.

Johannes Kuhn

sueddeutsche.de: Was halten Sie vom heutigen Bloggertag für Birma?

Betreibt einen Exil-Blog: der 24-jährige Birmane Ko Htike (Foto: Foto: oH)

Ko Htike: Genau wie die Berichterstattung in den Medien wird er hoffentlich den Niedergang der Militärjunta beschleunigen - auch wenn die Menschen in Birma davon nur wenig mitbekommen, weil das Internet immer noch gesperrt ist. Die einzige Möglichkeit, sich zu informieren, ist derzeit das Radio. Ausländische Stationen senden nach Birma.

sueddeutsche.de: Wie schwer ist es für Sie, an Informationen aus Birma zu kommen?

Ko Htike: Mein Blog und damit auch ich haben in den letzten Tagen eine gewisse Bekanntheit erlangt - das heißt, ich muss sehr vorsichtig sein. Ich wechsele Telefonnummern, wenn ich meine Quellen überhaupt noch selber anrufe.

Wir können auch nicht über die regulären Telefonleitungen sprechen, weil die wie das Internet vom Staat betrieben und damit vielleicht auch überwacht werden. Ich möchte nicht, dass wegen mir jemand in Gefahr kommt. Mit meiner Familie, die in Birma lebt, habe ich deshalb schon seit drei Monaten keinen Kontakt mehr.

sueddeutsche.de: Wie ist die Situation vor Ort?

Ko Htike: Es ist weiterhin wie im Kriegsgebiet, das Militär ist überall präsent. Gruppen von mehr als drei Menschen machen sich verdächtig und müssen damit rechnen, verhaftet zu werden. Inzwischen wurden einige Mönche und Nonnen freigelassen, aber wie ich gehört habe vor allem, weil in den Lagern der Platz knapp wird und die Militärs die Gefangenen nicht mehr mit Essen versorgen können.

sueddeutsche.de: Sind die Proteste gescheitert?

Ko Htike: Nein. Ich glaube, dass die Militärherrschaft innerhalb eines Jahres vorbei sein wird. Die Junta hat durch ihre schlechte Politik das Leiden der Menschen zu groß werden lassen und die immer weitersteigenden Preise werden die Situation noch einmal verschlimmern. Ich denke, dass es einen weiteren großen Aufstand geben wird - vielleicht nicht in den nächsten Wochen, aber in nicht allzu ferner Zukunft.

sueddeutsche.de: Aber ähnliche Hoffnungen haben sich die Protestierenden schon 1988 gemacht ...

Ko Htike: Dieses Mal ist die Situation anders: Damals starben Tausende Menschen und es gab kaum Bilder. Bereits jetzt sind seit auch nach der Stilllegung des Internets Videoaufnahmen aufgetaucht, die das brutale Vorgehen der Militärs dokumentieren. Und davon gibt es noch mehr, wir versuchen gerade fieberhaft, das Material aus Birma hinaus zu bekommen. Wir haben also mehr Beweise als damals und wir haben durch das Internet mehr Augen, die auf unser Land schauen.

sueddeutsche.de: Wie schwierig ist es als Blogger, Gerüchte aus dem Land zu verifizieren?

Ko Htike: Ich versuche, mit Kontaktleuten zu sprechen und so gut es geht nachzuprüfen, was an den Meldungen dran ist. Das klappt nicht immer - gestern Abend hatte ich zum Beispiel eine Meldung auf meiner Seite, wonach die Militärführung in Birma die US-Sicherheitsfirma Blackwater anheuern würde. Heute wurde ich nun darauf hingewiesen, dass es sich bei der Ursprungsmeldung um einen Eintrag in einem Satireblog handelte. Dass ich so etwas veröffentlicht habe, tut mir unendlich leid - denn ich habe eine große Verantwortung, nicht nur für meinen Ruf, sondern auch für die Sache.

sueddeutsche.de: Wie hat sich das Leben als Exil-Birmane in den vergangenen Wochen verändert?

Ko Htike: Die ganze Exil-Gemeinschaft ist näher zusammengerückt, wir sind viel besser vernetzt als früher, weil wir ein erreichbares Ziel für unser Land sehen. Ich bin ein ganz normaler Mensch und studiere eigentlich hier in London Informatik. Ich habe schon einige Kurse verpasst und muss wahrscheinlich nun ein komplettes Jahr aussetzen - was ich verkraften kann, denn ich möchte mich weiter für mein Land einsetzen.

Ko Htike, 24, stammt aus Birma und studiert in London Informatik. Auf seinem Blog berichtet er über aktuelle Entwicklungen in seiner Heimat. In Birma lebt auch seine Familie.

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