Biometrie:Der Körper als Passwort

Lesezeit: 3 min

Das größte Sicherheitsrisiko ist der Mensch: Er notiert Geheimzahlen auf der EC-Karte, der Vorname der Frau ist sein Lieblingspasswort. Dabei trägt jeder mehrere absolut sichere Passwörter mit sich herum - fest verwachsen und unvergessbar

Jörg Donner

Im Mai des vergangenen Jahres traf es eine deutsche Flirtseite, kurz darauf die amerikanische Webseite Myspace.com: Aus Versehen oder aufgrund eines kriminellen Angriffs erlangten Hacker Zugriff auf Benutzernamen und Passwörter. Ärgerlich für die Seitenbetreiber, jedoch äußerst aufschlussreich für das Passwort-Verhalten der Nutzer.

Der Venenscanner von Hitachi erfasst das Muster der Adern unter der Haut. Es ist einzigartig wie ein Fingerabdruck, aber kaum zu fälschen. (Foto: Foto: Jörg Donner)

Bei der Analyse der publik gewordenen Passwörter stellte sich heraus, dass die meisten Nutzer entweder gar kein Passwort verwendeten oder nur die einfache Zahlenreihe "123456".

Biometrische Merkmale sind Diebstahlsicher

Was für den privaten Bereich noch harmlos ist, kann für die Industrie schwerwiegende Folgen haben. Denn die Einfallslosigkeit beim Passwort betrifft auch Firmenrechner und Banking-Anwendungen. Abhilfe für diese Problematik könnte die Biometrie schaffen. Dabei werden physiologische oder Verhaltens-Merkmale mit elektronisch gespeicherten Datensätzen verglichen.

Der Vorteil dieses Verfahrens: Ausweise und Passwörter können gestohlen und gefälscht werden. Biometrische Merkmale wie Stimme, Gesichtsform, Fingerabdruck und Iris sind untrennbar mit einer Person verbunden, Fälschungen nicht oder nur sehr aufwendig möglich.

"Biometrie wird in der nahen Zukunft eine wichtige Rolle spielen", sagt Peter Jones von Hitachi. "In allen Lebensbereichen wächst die Anforderung an Sicherheit und Personalisierung." Einsetzbar seien biometrische Verfahren in fast allen Bereichen, vom Geldautomaten, über Zutritts- und Passkontrollen, bis zur Sitzeinstellung im Auto.

Auf der Cebit zeigt der Hersteller sein neues Verfahren zur Identifikation von Personen, einen Fingervenen-Scanner. "Unsere Fingerabdrücke hinterlassen wir überall", sagt Jones, "sie lassen sich relativ leicht einer Person zuordnen, auch ohne deren Wissen". Beim neuen Verfahren, das Hitachi am Stand zeigt, wird der Finger mit infrarotem Licht durchleuchtet und dabei von Kameras gescannt.

Zielmarkt ist die Automobilindustrie

Das Hämoglobin, also der rote Blutfarbstoff, absorbiert das Licht, dadurch nehmen die Kameras ein Venenmuster auf, das ebenso wie ein Fingerabdruck einzigartig ist. "Das Verfahren lässt sich kaum ohne Wissen des Betroffenen durchführen", erklärt Jones. "Zudem weist ist nur ein ,lebendiger' Finger das richtige Muster aus. Mit einem abgetrennten Finger könnte niemand etwas anfangen."

In Japan ist der Venenscanner mittlerweile bei 75 Prozent der Bankfilialen im Land installiert. "Die Sicherheit dieses Systems ist extrem hoch", sagt Jones, "und im Vergleich mit Iris- oder Fingerabdruck-Scans haben wir eine sehr niedrige Nichterkennungs-Rate". Bis das System in Europa flächendeckend eingeführt sei, würden aber noch ein paar Jahre vergehen.

Schnellere Erfolge sieht Hitachi in der Automobilindustrie. Noch in diesem Jahr will laut Jones ein europäischer Hersteller die Scanner verbauen, um sozusagen mit dem kleinen Finger persönliche Einstellungen wie Radiofrequenz und Sitzgeometrie vorzunehmen.

Fingerabdruck-Scanner sind mittlerweile an den meisten Notebooks aus dem Business-Bereich Standard. Fast alle Hersteller zeigen auf der Messe Modelle mit integrierten Lesegeräten, die den Zugriff unberechtigter Nutzer auf sensible Daten unterbinden sollen. In Deutschland hat die Fingerabdruck-Technologie fast 50 Prozent Anteil am Biometriemarkt. Mit über 20 Prozent folgt die automatische Gesichtserkennung.

Gemütszustände analysierbar

Vorangetrieben wurde diese Entwicklung vor allem durch die Einreisebestimmungen der USA und die Einführung des E-Pass in Deutschland. Seit vergangenem Jahr werden im Reisepass auch biometrische Daten festgehalten. Bedeutung hat die Gesichtserkennung vor allem im Bereich Zugangskontrolle und Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung.

Am Stand des Fraunhofer Instituts für Integrierte Schaltungen (IIS) zeigt Marcus Bednara, wie ein solches System aussehen kann. Eine Kamera erfasst automatisch die Gesichter der Messegäste und wertet sie aus. Die Software des IIS kann erkennen, ob es sich bei gefilmten Personen um Frauen oder Männer handelt und auch deren Gemütslage grob erfassen.

"Das System wurde mit einer Datenbank angelernt und kann jetzt aufgrund der Gesichtszüge Rückschlüsse ziehen, ob jemand traurig oder glücklich ist", sagt Bednara. "Das besondere an unserer Gesichtsanalyse-Software ist, dass sie sehr schnell arbeitet und auch mit schlechtem Datenmaterial zurecht kommt."

Auch die Werbeindustrie sieht Nutzen

Bei der Überwachung von Bahnhöfen würden beispielsweise meist Webcams eingesetzt, deren Bild nur wenig zufriedenstellend wäre. Die Software des IIS kommt auch mit diesem Material zurecht. Kombiniert man die Technik mit einem Analysetool zum Abgleich mit Gesichtern, beispielsweise einer Verbrecherkartei, erhält man ein effizientes System zur automatischen Suche nach Kriminellen, Verdächtigen oder vermissten Personen.

Aber auch die Werbeindustrie hat Interesse an der Software. Damit ist es möglich, die Reaktion von Passanten auf ein Werbeanzeige oder eine Schaufensterdekoration zu untersuchen. "Eine Kamera erfasst automatisch die Betrachter, die Software wertet aus, ob sie lachen oder entsetzt sind", erklärt Bednara.

Gemischte Reaktionen ruft das Demonstrationsterminal auch auf der Messe hervor: Während die einen Grimassen in die Kamera schneiden, um das Emotions-Modul zu testen, verweigern andere den Blick auf den Monitor. "Meine biometrischen Daten bleiben bei mir", ruft ein Messegast und verschwindet in der Besuchermasse.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: