"Amazon Noir":Bücherklau im Namen der Kunst

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Urheberrechtsverletzung oder Kunst? Web-Aktivisten nutzen ein Tool bei Amazon aus, um komplette Bücher aus dem Netz zu saugen und frei verfügbar zu machen.

Lenz Jacobsen

Die Wiener Künstler von ubermorgen.com legen sich mit ihrer Aktion "amazon noir" mit dem Internet-Riesen Amazon an. Die Gruppe saugt aus den Datenbanken des Online-Händlers ganze Bücher heraus, um diese dann auf ihre Website zu stellen - gratis, versteht sich.

Das Logo der "Amazon Noir"-Aktionisten. (Foto: Abbildung: amazon noir)

Sie bedienen sich dazu eines Amazon-eigenen Tools, der "Search Inside!"-Funktion. Damit lassen sich die Inhalte von über 250 000 Bücher gezielt nach Stichworten durchforsten. Als Suchergebnis zeigt das Programm dann einen entsprechenden kurzen Abschnitt des Buches als Leseprobe an. Eine Möglichkeit zum Probelesen für die Kunden also. Doch mehr als ein paar Seiten gibt es nie zu sehen.

"Sucker" durchkämmen die Archive

Genau hier setzen die Webkünstler von ubermorgen.com an: Sie haben eine kleines Hack-Programm gebastelt, dass sie so treffend wie liebevoll "Sucker" (Sauger) nennen. Diese Software durchsucht mit "Search Inside!" einzelne Bücher einfach so oft, bis sie alle Seiten zusammen hat.

Diese bastelt sie dann zu einer vollständigen digitalen Version des Buches zusammen. 5000 Suchanfrage sind im Schnitt nötig, bis ein komplettes Buch aus den Datenbeständen von Amazon gesaugt ist.

Rund 60 Bücher hätten sie so schon "geklaut", berichtet Hans Bernhard von ubermorgen.com. Demnächst wollen er und seine Kollegen sogar damit beginnen, die Lieblingsbücher von Prominenten bei Amazon zu saugen. Den Anfang machen die Top-Five des amerikanischen Popliteraten Brett Easton-Ellis. Am 15 November sollen dann mindestens 120 Bücher in digitaler Form auf der Projekt-Website www.amazon-noir.com verfügbar sein.

"Wir wollen Reaktionen provozieren"

Dass sie damit die Urheberrechte von Verlagen und Autoren verletzen, will Bernhard nicht gelten lassen: "Es ist ja Amazon selbst, das die Bücher ins Netz stellt, wir nutzen nur die Schwächen von "Search Inside!" aus."

Außerdem gehe es bei "Amazon Noir" gar nicht in erster Linie um Urheberrechte, sondern um ein "globales Kommunikationsexperiment": "Wir wollen Reaktionen provozieren und sehen was passiert, wenn sich das verselbstständigt. Das Ganze ist nur eine Versuchanordnung ohne festes Ziel."

Amazon dürfte dieser idealistische Ansatz relativ egal sein. Schließlich kann es für ihr Geschäft nicht gut sein, wenn ganze Bücher umsonst im Internet verfügbar sind.

Amazon bleibt ruhig - noch

Noch geht der Riesenkonzern nicht gegen die Wiener Hacker vor. Man prüfe die Sachlage noch und werde dann entsprechend reagieren, heißt es aus der Münchener Konzernzentrale - Außerdem diskutiere man Sicherheitsmaßnahmen niemals öffentlich.

Bernhard lässt sich von der finanziellen und juristischen Macht seines Gegners nicht abschrecken. Schließlich haben er und seine Mitstreiter sich schon mit anderen Giganten angelegt.

Vor wenigen Wochen starteten sie das Projekt "Google will eat itself": Durch sogenannten Klickbetrug versuchen sie, Geld von Google zu kriegen, das sie dann in Aktien des Suchmaschinen-Riesen investieren wollen.

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