Zuschuss für arme Kinder:Magenknurren in der Mittagspause

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Provisorien, Selbsthilfe und kochende Mütter: Bayerns Schüler sitzen oft hungrig im Unterricht.

Dietrich Mittler und Christian Rost

Die Regierungserklärung von Ministerpräsident Horst Seehofer lässt viele Eltern in Bayern aufhorchen: Die Staatsregierung will gemeinsam mit den Kommunen bedürftigen Kindern ein kostenloses Mittagessen ermöglichen.

Den ganzen Tag in der Schule und dann kein Mittagessen? Kindern aus armen Familien will der Freistaat künftig helfen. (Foto: Foto: ddp)

Doch wie das in den einzelnen Schulen umgesetzt werden soll, ist bislang ungeklärt: In einigen werden ganz einfach Bierbänke aufgestellt, an denen die Schüler ihre beim Hausmeister gekaufte Semmel essen können, andere haben Verträge mit nahe gelegenen Kantinen abgeschlossen, in denen Kinder und Jugendliche mittags warme Speisen oder frische Salate bekommen - und dann gibt es Schulen, in denen die Kinder mittags einfach gar nichts zu essen bekamen, obwohl dort am Nachmittag unterrichtet wird.

Die Grund- und Hauptschule in Strullendorf im Kreis Bamberg ist ein Beispiel dafür, wie es laufen könnte. "Unser Schülercafé und -Bistro ist eine echte Gemeinschaftsleistung von Schülern, Lehrern, der Gemeinde und dem Elternbeirat", sagt Schulleiter Otto Müller. Für den Service und zum Teil auch fürs Kochen sind die Schüler selbst zuständig. Nicht nur das: "Sie bestimmen auch die Preise der Mahlzeiten und machen Inventur", sagt Müller.

Angesichts der steigenden Zahl der Ganztagsschüler wird die Strullendorfer Schule künftig aber auf eine professionelle Firma angewiesen sein, die das Essen anliefert - in diesem Fall ist es die Arbeiterwohlfahrt. 2,50 Euro soll eine fertige Mahlzeit kosten.

Etliche Familien können sich auch das nicht leisten, wie Schulleiter Müller weiß - und steuern deswegen Eigenleistung bei. "Bereits jetzt hilft eine Mutter bei den Essenausgaben und beim Spülen mit, damit ihr Sohn regelmäßig mittags zu essen bekommt", sagt er.

Selbst dem Kultusministerium liegen keine genauen Zahlen darüber vor, wie viele Schulen im Freistaat derzeit überhaupt eine Mittagsverpflegung anbieten. "Wir gehen davon aus, dass es die Hälfte aller Schulen sind, also rund 2500", sagt ein Sprecher. Eine offizielle Erhebung darüber gibt es nicht.

Sozialministerin Christine Haderthauer, die sich mit ihrem Konzept eines kostenlosen Mittagessens für bedürftige Schüler gegen parteiinterne Widerstände durchsetzen konnte, ist deshalb auf Schätzungen angewiesen: Etwa 14000 Schüler in Bayern dürften wohl im Schuljahr 2009/2010 auf dieses Angebot zurückgreifen. Rund drei Millionen Euro sollen dafür aus der Staatskasse bereitgestellt werden, sagt die Ministerin.

Allerdings stehen die Verhandlungen mit den Kommunen noch aus, die sich in gleicher Höhe beteiligen sollen. Die Gespräche werden schwierig verlaufen, weil der Freistaat und die Kommunen diesen Zuschuss im Grunde nur widerwillig leisten: "Dafür ist eigentlich der Bund zuständig", sagt Haderthauer. Und das sehen die Kommunen nicht anders: "Wir werden prüfen, ob wir uns daran beteiligen können", hieß es unterkühlt.

Doch wie Haderthauer sind die Kommunen in einem Dilemma. "Nachdem das Problem mit den bedürftigen Schülern da ist, werden wir uns engagieren müssen", sagt Reiner Knäusl, der Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags. Klar ist für ihn auf jeden Fall: "Es gibt für die Kommunen keine rechtliche Verpflichtung dazu."

Die Stadt Würzburg ist der Staatsregierung und dem Städtetag bereits einen Schritt voraus: Die Stadt übernimmt freiwillig die Kosten der Mittagsverpflegung für bedürftige Kinder und Jugendliche. Reinhard Glaab, der Leiter der Hauptschule Heuchelhof, sieht darin auch einen hohen pädagogischen Wert: "Seitdem die Finanzierung des Mittagessens gesichert ist, stimmen viel mehr Eltern zu, dass ihre Kinder ganztags in die Schule gehen." Für Heranwachsende, die bislang nach dem Unterricht unbeaufsichtigt herumhingen, gebe es nun endlich eine gezielte Nachmittagsbetreuung.

Nicht überall läuft es so gut wie in Würzburg. Selbst in einer reichen Stadt wie München müssen Kinder hungern. Für die Pädagogen ist das Problem offensichtlich: "Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer, und an den Schulen merkt man das", stellt die Vorsitzende des Münchner Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, Waltraud Lucic, fest.

Der Adventskalender, das Hilfswerk der Süddeutschen Zeitung, hilft deshalb Betroffenen mit der Aktion "Schülerlunch": Spenden und eine Erbschaft sichern inzwischen mehr als 1400bedürftigen Schülern einen Platz am Mittagstisch (www.sz-daventskalender.de). Schätzungen zufolge müssten aber allein in München 4000 Kinder mit einem kostenlosen Mittagessen versorgt werden.

© SZ vom 12.12.2008/liv - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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