Zeuge im Reichenhall-Prozess:"Das Wort 'Einsturzgefahr' ist gefallen"

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Im Prozess um den verheerenden Einbruch der Eishalle von Bad Reichenhall hat ein Zeuge schwere Vorwürfe gegen die Stadt erhoben: Diese wusste offenbar vor dem Unglück von der Einsturzgefahr.

Die Stadt Bad Reichenhall ist nach Zeugenaussagen offensichtlich unmittelbar vor dem Unglück am 2. Januar 2006 von einer Einsturzgefahr der Eissporthalle ausgegangen. Das wurde nun in dem Prozess um den Einsturz der Halle bekannt.

Der frühere Oberbürgermeister von Bad Reichenhall, Wolfgang Heitmeier, soll über die Mängel am Gebäude informiert gewesen sein. (Foto: Foto: dpa)

"Das Wort 'Einsturzgefahr' ist gefallen", sagte Thomas R., der Vorsitzende des örtlichen Eishockey-Vereins am Donnerstag als Zeuge vor dem Landgericht Traunstein. Ihm war eine halbe Stunde vor der Katastrophe telefonisch mitgeteilt worden, dass das Training der Eishockey-Spieler am Abend ausfallen müsse, weil die Halle aus Sicherheitsgründen geschlossen werde.

Ein Mitarbeiter der Stadt habe ihm dabei mitgeteilt, dass die Schneemassen "langsam zu viel" würden. Außerdem habe der Eismeister schon "etwas knacksen gehört". Dennoch habe man den Publikumslauf noch zu Ende laufen lassen wollen, es sei ja nur noch eine halbe Stunde hin, bis er um 16.00 Uhr beendet sei.

Nur sechs Minuten vor der Schließung stürzte das Dach der Halle ein und begrub etliche Menschen unter sich. 34 Eisläufer wurden verletzt, 12 Kinder und drei Frauen starben bei dem schrecklichen Unglück.

Zudem sagte der Clubvorsitzende aus, der damalige Oberbürgermeister Wolfgang Heitmeier habe von ständigen Wassereinbrüchen in dem Gebäude gewusst. Diese sollen nach Experteneinschätzung Hinweise auf akute Mängel gewesen sein.

"Es hat ununterbrochen von der Decke getropft"

Es habe ständig von der Decke getropft, in den letzten zwei Jahren "eigentlich ununterbrochen", schilderte Thomas R. den Zustand des Gebäudes. Auch sei immer mehr Wasser auf der Eisfläche und den Publikumsrängen gewesen: "Die Zuschauer konnten sich teilweise gar nicht hinsetzen bei den Spielen, weil es so stark getropft hat." Er habe das auch gegenüber Heitmeier moniert. "Der hat gesagt, das wird jetzt dann mal gemacht. Es ist aber nie was gemacht worden."

Auch dem Zeugen Siegfried F., der bis zum Jahr 2005 Jugendleiter im Hockeyclub war, waren während seiner Zeit in Bad Reichenhall immer wieder die schlechten Zustände der Eishalle aufgefallen. Er sprach bei der Vernehmung gar von bis zu zehn Zentimeter hohen Huckeln, die durch das Tropfen entstanden waren. Außerdem seien diese hellbraun gefärbt gewesen, seiner Ansicht nach durch die in die Jahre gekommenen Dachbalken, die Farbe verloren hätten.

Die offene Kritik an der Vorgehensweise der Stadt Bad Reichenhall sei für den Hockeyvorstand Thomas R. nicht folgenlos geblieben. Nach Interviews, die er unmittelbar nach dem Unglück gab, sei ihm der Kreditrahmen bei der örtlichen Kreissparkasse "von einem Tag auf den anderen" drastisch gekürzt worden, sodass er in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei. Dass da die Stadt dahinter steckte, könne er, vorsichtig ausgedrückt, nicht ausschließen.

Eine erneute Befragung des als Zeugen geladenen langjährigen Stadtbaumeisters von Bad Reichenhall geriet über weite Strecken zu einem Angeklagten-Verhör. Der heute 87-Jährige beteuerte immer wieder, er sei in die Einzelheiten des nachträglichen Einbaus tonnenschweren Lüfter auf dem Hallendach 1977 nicht eingebunden gewesen. Als der Zeuge dann zum wiederholten Male auf Fragen des Gerichts zu seiner Verantwortung als Stadtbaurat betonte, er sei nicht zuständig gewesen, platzte dem Richter fast der Kragen: "Wollen Sie denn allen Ernstes sagen, dass Sie nicht der Verantwortliche waren?" Der Zeuge schwieg daraufhin.

Seit Januar dieses Jahres müssen sich bei dem Prozess um das Unglück in Bad Reichenhall drei Ingenieure und Architekten vor Gericht verantworten. Erst vor kurzem hat die Staatsanwaltschaft Traunstein ein weiteres Verfahren gegen einen ehemaligen Mitarbeiter der Reichenhaller Stadtverwaltung eingeleitet. Mit einem Urteil wird frühestens Ende Juli gerechnet.

© dpa/ddp-bay/hai/gal/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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