Wolfgang Hoppenthaller:Der Doktor fürs Grobe

Lesezeit: 3 min

Wolfgang Hoppenthaller ist Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes und als harter Kämpfer bekannt - nun will er Bayerns Hausärzte aus dem Kassensystem führen.

Dietrich Mittler

Die zurückliegenden Tage haben Wolfgang Hoppenthaller, den Vorsitzenden des Bayerischen Hausärzteverbandes, gezeichnet. Er hat dunkle Ringe unter den Augen, spricht "von einem unheimlichen Druck", der auf ihm laste. "Mein Albtraum ist, dass ich oben am Mikro stehe und mir nur drei Männeken zuhören", sagt er. Er sei zwar kein Kirchgänger, wie er betont. Doch in der Nacht zum heutigen Mittwoch hat er gebetet, "dass die Hausärzte die richtige Entscheidung treffen". Was richtig ist, dafür gibt es für ihn nicht den geringsten Zweifel: "die kollektive Rückgabe der Kassenzulassung, bevor dieses Gesundheitssystem unsere Existenzgrundlage zerstört".

Ein harter Kämpfer: Wolfgang Hoppenthaller, Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes. (Archiv) (Foto: ddp)

So oder so, der Mittwochabend in einer Nürnberger Veranstaltungshalle wird Geschichte schreiben: Werden Tausende Hausärzte - so wie es ihnen Hoppenthaller rät - aus dem Kassensystem aussteigen? Oder werden sie, wie bereits im Jahr 2008, vor dieser Entscheidung zurückscheuen, weil ihnen damit zumindest die verlässlich eintreffenden Honorarzuweisungen wegbrechen?

"Diesmal schaffen wir das", sagt der 63-Jährige, der im niederbayerischen Siegenburg als Hausarzt praktiziert. Doch seine Stimme klingt so, als ob er sich da selbst Mut zuspreche. Nur zu gut weiß Hoppenthaller, wie nahe Triumph und Niederlage beieinander liegen. Er, dessen Streitbarkeit sich bis hinein ins Bundeskabinett herumgesprochen hat, konnte vor mehr als zwei Jahren die CSU kurz vor der Landtagswahl in die Knie zwingen. Die um ihr Ergebnis bangende Partei setzte aus Furcht vor den Kampagnen der Ärzte in Berlin ein Gesetz durch, das dem Hausärzteverband ein Verhandlungsmandat mit den Kassen garantierte.

Als in der Folge die AOK einen Hausarztvertrag anbot, der den Medizinern mit einem Schlag erheblich bessere Honorare sicherte, da war Hoppenthaller für seine Kollegen ein Held. Sein Nimbus als Stratege wuchs umso mehr, als der Hausärzteverband jüngst im Kampf um die Macht in der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) als stärkste Fraktion hervorging - beileibe nicht der einzige Wahlsieg: Kürzlich erst wurde Hoppenthaller als Vorsitzender in Bayerns Hausärzteverband bestätigt - einstimmig.

Aber der 1947 in Rosenheim geborene Arzt ist keiner, den solche Erfolge blind machen für die Tiefen des Lebens: Kurz bevor die CSU vor seiner Drohkulisse eingeknickte, war Hoppenthaller fast so weit, sein Amt niederzulegen. Die hohe Zahl der Ärzte, die 2008 trotz mehrfacher Fristverlängerungen ihre Kassenzulassung behalten hatten, deprimierte ihn tief. Zudem hatte der Hausärzteverband so viel Geld in Kampagnen investiert, dass er am Ende praktisch pleite war. Damals, auch das hat ein Wolfgang Hoppenthaller nicht vergessen, waren mehr als zwei Drittel der fast 7000 Verbandsmitglieder seiner Bitte nicht gefolgt, die leeren Kassen mit einem Solidaritätsbeitrag von 150 Euro zu füllen.

"Ein charismatischer Demagoge"

Doch Hoppenthaller wäre nicht er selbst, wenn er sich nicht immer wieder aufraffen würde - zum Entsetzen seiner zahlreichen Gegner bei den Kassen, in der Gesundheitspolitik und auch in der KVB. Die meisten dieser Leute gestehen ihm als positive Eigenschaft allenfalls zu, dass er "ein charismatischer Demagoge" sei. Einer, der völlig unberechenbar sei. "Man kann sich seine Freunde nicht aussuchen", hatte Helmut Platzer, Chef der AOK Bayern, über ihn gesagt - zu Zeiten, als die Kasse und der Hausärzteverband noch in der Öffentlichkeit als eingeschworene Partner auftraten.

Hoppenthaller selbst sieht sich freilich ganz anders. Er spricht von seinem "Gerechtigkeitssinn" und seiner "Durchsetzungskraft", die er schon als Kind gehabt habe. Er, der Sohn einfacher Leute, "ein Schlüsselkind", wie er sagt, habe sich da zur Kämpfernatur entwickelt. "In der Klosterschule von Scheyern gab es eine klare Hackordnung, da lernte man, sich durchzusetzen", sagt er.

Doch auch das schützt nicht vor Fehleinschätzungen. Hoppenthaller hatte fest darauf gebaut, dass die CSU ihm dabei helfen werde, im Falle des kollektiven Systemausstieges wieder in Berlin ein Sondergesetz durchzudrücken, das ihm einen neuen Vertrag mit den Kassen ermöglicht. Doch da hatte er sich getäuscht.

Gesundheitsminister Markus Söder, der sich selbst als "ehrlichen Vermittler" im Streit zwischen den Kassen und den Hausärzten angeboten hatte, soll die Kassen auf Härte gegenüber den Hausärzten eingeschworen haben - wie aus einem Protokoll hervorgeht. Söder ließ diese Aussage dementieren. Am Dienstag kamen Hinweise auf, es gebe kurz vor der Ausstiegsveranstaltung noch Geheimverhandlungen zwischen Ärzten und Kassen. Das wiederum wies Hoppenthaller zurück, "die wollen es jetzt wissen".

© SZ vom 22.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: