Wildschweinalarm:Auf Jagd wie bei Asterix und Obelix

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Die Sau ist los: Die Wildschweine ziehen durch Bayern und machen auch vor den Städten nicht Halt.

Christian Sebald und Max Hägler

Das Bild liegt so nahe, dass es selbst in offizielle Dienstbesprechungen Eingang findet: Asterix und Obelix auf Wildschweinjagd. Die Comicfiguren von René Goscinny und Alberto Uderzo, die in ihren Geschichten so gern durch den Wald laufen, um Borstenvieh fürs Abendessen einzusammeln, kommen nun selbst im Protokoll der Regierung von Oberbayern vor, die Anfang August zu einer Dienstbesprechung zusammengerufen hatte. Das Thema: Wildschweine und die Jagd.

Wildschweine dringen bis in die bayerischen Städte vor. (Foto: Foto: ddp)

Die Schweine sind zum Politikum geworden, denn das Schwarzwild ärgert Hausbesitzer und Bauern, es dringt in die Städte vor und wühlt in Vorgärten. In Berlin wurden Wildschweine vor ein paar Jahren schon am Alexanderplatz gesehen - sie flüchteten in eine Kindertagesstätte und wurden erschossen.

Die Tiere waren den Straßenbahngleisen in die Stadtmitte gefolgt. Nun rücken sie auch den bayerischen Großstädten näher. Nürnberg ist von Wäldern umgeben und wie die Bundeshauptstadt offensichtlich sehr beliebt bei Wildschweinen.

470 Tiere haben die Jäger in der letzten Saison im Sebalder und Lorenzer Reichswald geschossen, das ist die höchste Quote der vergangenen zehn Jahre. Und das sei nur ein Bruchteil des Bestandes, meint Roland Blank von den Staatsforsten in Nürnberg. Er berichtet von "komplett umgedrehten Komposthaufen", "abgeräumten Gemüsegärten" und einer Zeitungsausträgerin, die in den frühen Morgenstunden im Stadtteil Zabelshof nachtaktive Tiere bei ihrer Futtersuche überraschte. Blank will die Abschussquote der Schweine hoch halten.

Schweine am Alex

Auch auf München bewegen sich die Tiere zu. "Es ist eine Wanderbewegung aus Richtung Dachau, Odelzhausen, Weilheim feststellbar", sagt Alfred Strauch, stellvertretender Betriebsleiter der Staatsforsten München. Noch seien aber in der Stadt kaum Tiere zu sehen.

"München ist so dicht verbaut, dass wir praktisch keine Probleme mit Wildschweinen im Stadtgebiet haben", erklärt Manfred Thalhammer, Leiter der Unteren Jagdbehörde. Deshalb machten die Tiere am Stadtrand Halt und fielen nicht wie in Berlin in die Häuserschluchten ein: 6000 Wildschweine sollen inzwischen in Berlin leben, zugleich wurden 2000 in der vergangenen Jagdsaison geschossen, im Jahr davor waren es nur halb so viele Abschüsse.

Wildschweine sind eigentlich friedlich, wissen die Experten. Trotzdem rummst es immer öfter zwischen den bis zu 100 Kilogramm schweren Tieren und den Menschen. Maisfelder werden kahl gefressen und auf Landstraßen steht schon mal ein Wildschwein im Weg. Immer wieder stoßen sie mit Radfahrern zusammen.

"Seit Anfang der 90er Jahre erleben wir eine regelrechte Explosion der Population", sagt Ulrich Wotschikowsky vom Verein für Arten-, Umwelt- und Naturschutz "Vauna" in Oberammergau. Wie viele Wildschweine in den bayerischen Wäldern und Feldern leben, kann man nicht einmal annähernd schätzen. Aber die Tatsache, dass in Bayern jedes Jahr etwa 55000 Sauen pro Jagdsaison geschossen werden und dennoch immer mehr beobachtet werden, zeigt das Ausmaß der Population.

Der Grund ist das reichliche Nahrungsangebot. "Egal ob Getreide- oder Maisfelder, die Tafel für die Wildsauen ist reichlich gedeckt", sagt Wotschikowsky. Das bekämen gerade Regionen mit intensivem Maisanbau zu spüren wie Nordschwaben.

"Wenn wie jetzt im Spätsommer der Mais auf den Feldern schon sehr hoch steht, dann gehen Rotten von 15 bis 20 Sauen in sie hinein und bleiben über Tage drinnen", sagt Wotschikowsky. "Sie sitzen praktisch mitten in ihrem Futter." Zum anderen gibt es immer öfter Jahre, in denen Eichen und Buchen besonders viele Früchte austreiben. Deshalb leben auch in den Laubwäldern Nordbayerns viele Schweine, die Eicheln und Buchen lieben.

Die Klimaerwärmung spielt ebenfalls eine Rolle. Je milder die Winter, desto mehr Frischlinge überleben. "Früher hat es am Frühjahrsbeginn noch öfter einen Wintereinbruch mit viel Schnee und Minusgraden gegeben als in den vergangenen Jahren, und da ist dann schon mal schnell ein halber oder gar ein ganzer Wurf eingegangen."

Inzwischen ist es die Regel, dass der ganze Wurf überlebt. "Aus hundert Sauen können so binnen Jahresfrist leicht 600 bis 800 werden", sagt Wotschikowsky. Und je mehr Sauen es gibt, desto mehr rücken sie dem Menschen auf den Pelz. Zumal sie in Gartenanlagen und Eigenheimsiedlungen ziemlich sicher vor Jägern sein können. Oder, in den Worten der Regierung von Oberbayern ausgedrückt: "Heute sind Wildschweine in der Mitte der Gesellschaft angekommen."

© SZ vom 25.08.2008/sg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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