Wahlkampf:CSU ködert mit Milliardenentlastung

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"Mehr netto vom Brutto" - unter diesem Motto möchte die CSU im kommenden Wahlkampf Entlastung für Familien im unteren bis mittleren Einkommensniveau versprechen. Ein Gegenfinanzierungsplan liegt bisher nicht vor.

Die CSU will den Bürgern vor den Wahlen in Bayern und im Bund schnelle Steuerentlastungen von über 20 Milliarden Euro versprechen. Kern ihres Konzeptes ist, die Einkommensteuer an die Lohnentwicklung anzupassen und damit heimliche Steuererhöhungen zurückzugeben. Zudem stellt die CSU den Solidaritätszuschlag infrage und will zurück zur alten Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer. Die Schwesterpartei CDU teilt zwar die Pläne, sieht wegen der Staatsverschuldung aber keine Chance zur Umsetzung vor 2011. Schützenhilfe bekommt die Union von den Wirtschaftsforschungsinstituten.

Die CSU wappnet sich für den Wahlkampf (Foto: Foto: dpa)

Nach Parteiangaben soll der CSU-Vorstand das Modell am 5. Mai beschließen. In Bayern wird im September gewählt. Als Zieldatum der Reform wurde bisher 2010 genannt. Die CDU will die Steuer-Stellschrauben erst ein Jahr später verstellen.

Entlastung für unteres und mittleres Einkommensniveau

Der CSU-Mittelstandspolitiker Hans Michelbach sagte der Nachrichtenagentur Reuters, unter dem Leitmotiv "mehr netto vom Brutto" wolle die Partei die unteren und mittleren Einkommen sowie Familien entlasten. Dazu solle die kalte Progression in der Einkommensteuer korrigiert werden. Sie entsteht, weil der starre Steuertarif von jetzt 15 bis 45 Prozent nicht mit den Lohnerhöhungen mitläuft: Wer mehr verdient, rutscht allmählich auch in eine höhere Steuerzone. Michelbach sagte, die heimliche Steuererhöhung habe dem Staat in den vergangenen fünf Jahren 65 Milliarden Euro mehr eingebracht.

Zur Abhilfe sieht das CSU-Konzept vor, den von 15 bis 24 Prozent steil ansteigenden Tarifverlauf zu strecken. Zudem soll der steuerfreie Grundfreibetrag von 7664 Euro auf 8000 Euro steigen - für jedes Familienmitglied. Ein Ehepaar mit zwei Kindern würde also auf 32.000 Euro seines Jahreseinkommens keine Steuern mehr bezahlen. Michelbach sagte, diskutiert werde noch über einen schrittweisen Abbau des Solidaritätszuschlages.

Die Financial Times Deutschland berichtete, in der Union würden die Kosten der Reform auf 25 Milliarden Euro geschätzt. Der Experte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Stefan Bach, nannte die Zahl realistisch. Allein für die Korrekturen bei der Einkommensteuer kämen 20 Milliarden Euro zusammen. Die Pendlerpauschale schlägt mit 2,5 Milliarden Euro zu Buche, hinzu käme die Abschmelzung des Solidaritätszuschlags.

Eine Gegenfinanzierung sieht die CSU nicht vor. Michelbach sagte, wegen der kalten Progression werde der Fiskus auch 2009 und 2010 jeweils zehn Milliarden Euro mehr einnehmen. Dieses Geld solle zurückgegeben werden. "Diese Rechnung ist nicht falsch", sagte Bach. Lohnerhöhungen von im Schnitt 2,5 Prozent brächten dem Staat Steuermehreinnahmen von etwa fünf Milliarden Euro. Der Progressionseffekt erbringe weitere fünf Milliarden.

Das Problem: der Koalitionspartner

Mit ihrem Konzept steht die CSU allerdings quer zum Ziel der großen Koalition, 2011 einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden aufzulegen. Die Mehreinnahmen sind ein wichtiges Element der Konsolidierung. Genau hier liegt das Problem der CDU. Der finanzpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Otto Bernhardt, sagte Reuters, die CDU habe Verständnis für die CSU, sehe aber keine Chance für eine große Einkommensteuerreform vor 2011.

In Parteikreisen hieß es, letztlich müssten die Parteichefs von CDU und CSU, Angela Merkel und Erwin Huber, diesen Konflikt ausfechten. Im Ziel seien sich beide Schwestern aber einig.

Mit der SPD sind die Chancen einer schnellen Reform minimal. Der Sprecher von Finanzminister Peer Steinbrück sagte: "Wir sind sehr gespannt, wie die CSU den Bürgern erklären wird, warum sie den Konsolidierungskurs von Kanzlerin und Finanzminister verlässt und wieder riesige neue Schulden zulasten künftiger Generationen machen will, nur um einen Wahlkampf erfolgreicher zu gestalten." Zuletzt wurde der Steuertarif 2005 angepasst.

In ihrem Frühjahrsgutachten gehen die Forschungsinstitute noch einen Schritt weiter als die CSU. Sie schlagen vor, den Steuertarif mit der Lohnentwicklung parallel laufen zu lassen, um die kalte Progression bei der Wurzel zu packen. Einen solchen "Tarif auf Rädern" fordern auch Wirtschaftsverbände. Zugleich kritisieren die Institute aber, dass die große Koalition die Staatsausgaben ausweite und vom Konsolidierungskurs abkomme.

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