Freispruch im Wang-Prozess:"Es fällt ihr schwer, 'nein' zu sagen"

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Im Jahr 2007 soll Dirigent Jin Wang eine Studentin sexuell belästigt haben. Nun wurde Wang freigesprochen. Doch das Gericht ist nicht von seiner Unschuld überzeugt.

Im Zweifel für den Angeklagten: Der frühere Würzburger Generalmusikdirektor Jin Wang ist vom Landgericht Würzburg vom Vorwurf der sexuellen Nötigung einer Studentin freigesprochen worden.

Der ehemalige Generaldirektor des Würzburger Mainfranken Theaters, Jin Wang, ist vom Vorwurf der sexuellen Nötigung freigesprochen worden. (Foto: dpa)

Bei ihrem Urteil waren die Richter der 1. Strafkammer am Dienstag jedoch nicht von der Unschuld des Angeklagten überzeugt.Der Freispruch sei wegen "nicht ausräumbarer Zweifel erfolgt", sagte der Vorsitzende Richter Claus Barthel. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Wang war vorgeworfen worden, 2007 eine junge Frau in einem Treppenhaus in Würzburg sexuell bedrängt zu haben.

Die heute 25 Jahre alte Frau fühlte sich nach eigenen Worten von dem verheirateten Mann bedrängt und sexuell belästigt. Der 50 Jahre alte Dirigent, der nach dem Vorwurf von seinem städtischen Arbeitgeber fristlos entlassen worden war, hatte stets seine Unschuld beteuert und die Vorwürfe gegen ihn als politische Intrige bezeichnet. "Wir haben ein bisschen geküsst, ein bisschen mehr geküsst. Wir haben uns gestreichelt", so seine Aussage vor Gericht. "Ich erinnere mich nicht, dass sie 'nein' gesagt hat." Die Staatsanwaltschaft hatte eine Bewährungsstrafe von anderthalb Jahren gefordert.

Das Gericht halte die Angaben der Klägerin zwar "weitestgehend für glaubhaft", sagte Barthel. Allerdings gebe es Zweifel, ob die Frau dem Angeklagten deutlich klar gemacht habe, dass das, was er tat, gegen ihren Willen passierte. Nach Auffassung des Gerichts hat sie bei den sexuellen Handlungen des Dirigenten "weder mit Worten noch mit Gesten interveniert". Erst als Wang versucht habe, mit der Frau zu schlafen, habe sie nach eigenen Angaben laut 'nein' gesagt und ihn weggestoßen. Daraufhin habe er dann auch sofort von ihr abgelassen.

Dass es überhaupt so weit kommen konnte, liegt nach Ansicht des Gerichts an der Persönlichkeit der jungen Frau. "Es fällt ihr schwer, 'nein' zu sagen. Sie befürchtet immer, ihr Gegenüber zu verletzen", sagte Barthel. Die Studentin hatte den Vorfall nicht selbst angezeigt, die Anklagebehörde war erst nach Hinweisen der Stadt aktiv geworden.

Für Wang ist das der Beleg, dass man ihm übel mitspielen wollte in Würzburg. Bereits vor seinem Amtsantritt am 1. September 2006 hatte es zwischen ihm und dem Theater-Intendanten Differenzen gegeben. Im November 2008 wollten die meisten Mitglieder des Philharmonischen Orchesters nicht, dass der Vertrag mit Wang verlängert wird. Grund: unüberwindbare Zerwürfnisse. Seine Kündigung wurde später in eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses umgewandelt, Wang erhielt eine Abfindung von 105.000 Euro.

Der Dirigent zeigte sich nach dem Freispruch erleichtert und aufgebracht. Er sei immer davon überzeugt gewesen, dass er freigesprochen wird, sagte der ehemalige Schüler des amerikanischen Star-Komponisten Leonard Bernstein. Den Anwesenden im Saal rief er zu: "Wir sollten einen Männerverein gründen, für alle Männer, die von Frauen geschädigt werden."

Vom Richter musste er jedoch harte Worte über sich ergehen lassen: Für das Gericht sei klar gewesen, dass er ein persönliches Interesse an der Frau hatte, sagte Barthel. Dass er sich als Opfer einer sexbesessenen und lüsternen Frau dargestellt habe, "diesen Bären hat sich die Kammer nicht aufbinden lassen".

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