US-Soldat wegen Mordes verurteilt:Henker mit Lachfalten

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Er war Vorzeigekamerad, eine Führungsfigur - und ein Mörder. Ein amerikanisches Militärgericht in Bayern verurteilt einen US-Soldaten, weil er in Bagdad Gefangene erschossen hat.

Max Hägler, Vilseck

Sie gehören zu den härtesten Männern der US-Armee, dienen größtenteils in der neu formierten Stryker-Brigade, einer schnellen Eingreiftruppe. Breitschultrig sind sie, haben Stiernacken. Manche tragen ihre Kampfuniform, andere T-Shirts, unter denen Tätowierungen zu sehen sind.

Seine Patrouille wurde hinterrücks beschossen - anschließend übte ein US-Unteroffizier im Irak Selbstjustiz. Das Bild zeigt Soldaten in Haditha. (Foto: Foto: AP)

Gemeinsam haben sie 2006 und 2007 im Irak gekämpft, haben Leiden und Tod gesehen und in der Zeit auch sechs Mann verloren. Aber das ist nicht der Grund, wieso sie jetzt mit nassen Augen in den Zuschauerreihen des kleinen Militärgerichtsgebäudes in Vilseck sitzen, sich mühsam räuspern und doch manchmal aufschluchzen.

In ihren Augen haben sie gerade einen siebten Mann verloren. Master Sergeant John Hatley, seit beinahe zwei Jahrzehnten in der US-Armee. Auch er ein breiter, großer Mann, mit freundlichem Gesicht und Lachfalten.

Das blaue Combat Infantery Patch und die zahlreichen Bänder auf dem linken und rechten Jackenaufschlag zeugen von den Gefechten und den Missionen, die der 40 Jahre alte Stabsfeldwebel erlebt hat. Ein Vorzeigesoldat für seine Truppe, eine Führungsfigur.

Und ein Mörder. So lautet das Urteil einer Jury des Militärgerichts auf dem Gelände des US-Stützpunktes. Am Donnerstag verurteilte die achtköpfige Jury den Unteroffizier zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und zur unehrenhaften Entlassung aus der Armee.

"Ankläger, Richter und Henker in einem"

Bei einer nächtlichen Patrouille in Bagdad hatte der in Bayern stationierte Hatley irakische Gefangene erschossen. "Sie waren Ankläger, Richter und Henker in einem", warf ihm Militärstaatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer vor. Die Tat sei das schlimmste Versagen, das man sich von einem Soldaten vorstellen könne.

Es geschieht im Frühjahr 2007, der Irak scheint aus Sicht der USA beinahe verloren. Täglich gibt es Anschläge, sterben Soldaten. Sprengfallen und Scharfschützen lauern auch immer wieder Hatleys Truppe auf, die in West Rashid im Westen Bagdads Dienst tut, in einem Gebiet so groß wie San Francisco mit etwa zwei Millionen Menschen.

Eines Nachts wird eine Patrouille unter Hatleys Führung beschossen. Sie durchsucht ein Haus, findet Waffen und nimmt vier Männer gefangen. Doch die Beweislage ist dünn, die Heckenschützen sollen freigelassen werden, heißt es aus dem Stützpunkt. Hatley aber entscheidet anders. Mit zwei Humvee-Jeeps und einem Mannschaftspanzer fahren die Männer an einen abgelegenen Kanal.

Gemeinsam mit zwei Kameraden erschießt Hatley dort die Gefesselten hinterrücks mit Pistolen. "Hatley meinte, dass die Personen in wenigen Tagen wieder freigelassen würden, wenn wir sie in Gewahrsam nehmen. Er sagte, wir wollten uns selbst um sie kümmern", sagte im Lauf des Prozesses ein Soldat.

Leichen unauffindbar

Für die Militärstaatsanwaltschaft aber war die Bedrohung kein Argument für die Erschießungen: "Sie waren hilflos, egal ob sie Aufständische waren oder nicht."

Gefunden wurden die Leichen zwar nie, das war das Hauptargument von Hatleys Verteidiger. Doch acht Männer aus seiner Truppe berichteten von den Schüssen, die sie am Kanal gehört hatten.

In den vergangenen Wochen hatten zwei Untergebene Hatleys zudem ihre direkte Tatbeteiligung gestanden und waren zu jahrzehntelangen Haftstrafen verurteilt worden. Auch diese Urteile fielen in Vilseck, einem der größten europäischen US-Stützpunkte. In Bayern war auch die Einheit von Hatley stationiert.

Der Unteroffizier war der ranghöchste Beschuldigte in der Prozess-Serie, er hatte die Aussage stets verweigert, sich für unschuldig erklärt. Doch am Donnerstag, vor der Strafzumessung, die von dem reinen Urteilsspruch getrennt ist, wendet er sich doch noch an die Militärjury.

Er spricht von der Berufung, die die Armee für ihn sei und von den unterschiedlichen Standards, "zwischen denen, die bedrohen, und denen, die schützen". Immer wieder hält er kurz inne, versucht seine zitternde Stimme in den Griff zu bekommen. Und bittet die Geschworenen schließlich, eine mögliche Strafe hinauszuschieben, "damit ich mein 20. Dienstjahr vollenden kann".

Als gewalttätig galt Hatley bis zu jenem Einsatz nicht. Im Gegenteil beschreiben mehrere Zeugen, dass er irakische Zivilisten stets tadellos behandelt habe. Einer Frau habe der Unteroffizier etwa einige Dollar zugesteckt, die sie für einen Arztbesuch brauchte, berichtet der ehemalige irakische Übersetzer. Vor allem um seine Leute sorgt sich Hatley offenbar.

Zum Lachen bringe er sie, sagten die Zeugen. Zum Entspannen fuhr er mit ihnen nach Coburg und nach Italien. "Meine Soldaten waren wie meine Söhne", erzählte er selbst vor Gericht. Womöglich war es tatsächlich die Sorge um ihr Wohlergehen, die ihn zur Selbstjustiz trieb.

So sieht es zumindest sein Anwalt, David Court. "Vielleicht hat er seine Soldaten zu sehr geliebt." Andererseits seien durch diese Liebe 144 von 150 Soldaten seiner Einheit aus dem Irak nach Bayern zurückgekehrt, fügt der Anwalt hinzu.

© SZ vom 17. April 2009/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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