St. Lukas in Nürnberg:Mit Hip-Hop zum Herrn

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Werben um Nachwuchs: In bayerischen Pfarreien entstehen Jugendkirchen - jetzt auch in Nürnberg.

Florian Höhne

Die starren Holzbänke wollen sie aus der Kirche reißen. Stattdessen würden sie Stühle reinstellen, mit weichen Sitzkissen. Auch eine Fußbodenheizung sollte die Kirche bekommen. Eine Bar soll eingebaut werden, vielleicht ein Wohlfühl-Sofa dazu.

Kirchen suchen neue Wege, um Jugendliche für sich zu begeistern. (Foto: Foto: ddp)

Die Wände könnte man bunt besprühen, mit Graffiti zum Beispiel. Und natürlich muss es eine Musikanlage geben, mit Mischpult und Lichtanlage. Der Altar müsste Rollen haben, damit man ihn bei Rockkonzerten verschieben kann. Trotzdem sollte alles aber noch als Kirche erkennbar sein.

So würden sich 15 evangelische Jugendliche in Nürnberg ihre Kirche einrichten, wenn sie denn ein eigenes Kirchengebäude zur Verfügung hätten - und ausreichend Geld.

Beides werden sie bald haben, wenn es nach dem Nürnberger Dekanat geht: Die dortigen Gremien haben das Projekt Jugendkirche jüngst beschlossen und die Lukaskirche am Nordostbahnhof empfohlen. Die Landeskirche hat sich im vergangenen Herbst bereits grundsätzlich für das Projekt ausgesprochen, berät aber noch.

Trotz aller Sparmaßnahmen würde die Kirche für ihre Jugend einiges ausgeben: Mehr als eine Million Euro könnte allein der Umbau kosten. Hinzu kämen laufende Personal- und Betriebskosten. "Wir müssen in die Jugend investieren, um die Kirche der Zukunft zu bauen", erklärt Jürgen Körnlein, Dekan von Nürnberg Mitte.

Ein weltweiter Trend

Das ehrgeizige Projekt ist nicht das einzige in Bayern. In München hat der Bund der Katholischen Jugend (BDKJ) vor gut einem Jahr eine Jugendkirche eröffnet, in Passau plant ein Team von 25katholischen Jugendlichen die "Jugendkirche Sandbach", für Aschaffenburg ist ein ähnliches Projekt angedacht.

Auch im mittelfränkischen Neuendettelsau betreibt die evangelische St. Nikolai-Gemeinde bereits seit zwei Jahren eine "youth church". Die Idee dahinter ist einfach. Nachdem die herkömmliche Gemeindearbeit viele Jugendliche eher verschreckte als anlockte, lässt man nun die Jugendlichen selbst Kirche machen.

Sonst sei Jugendarbeit Teil der Gemeindearbeit, erklärt der Münchner Professor für Evangelische Theologie, Ulrich Schwab, "aber in einer Jugendkirche machen Jugendliche ihr eigenes Ding". Ein Mädchen habe den Reiz davon mal so beschrieben: "Das ist wie bei einer Party: Da kommt auch nur Stimmung auf, wenn die Eltern nicht zu Hause sind."

Der weltweite Trend zur Jugendkirche nahm seinen Anfang in den neunziger Jahren, in der anglikanischen Kirche. Dort hatte man festgestellt, dass sich gerade Singles, Berufstätige und junge Erwachsene von der Kirche abwandten.

Also schuf man in leeren Fabrikhallen und verlassenen Läden neue Angebote für diese Zielgruppen, eines davon war eine "youth church". Das Projekt machte anschließend in den USA Schule, im Jahr 2000 öffnete in Deutschland, in Oberhausen, die erste Jugendkirche. Jetzt hat die Idee auch Bayern erreicht.

"Alles, was bei uns passiert, ist von uns Jugendlichen selbst vorbereitet worden", erklärt Markus Schön von der Münchener BDKJ-Jugendkirche. Der 26-jährige Jurastudent arbeitet in dem zwölfköpfigen Team mit, das die regelmäßigen Jugendgottesdienste gestaltet. Die Ideen seien vielfältig, sagt er: Für den Sommer sei ein Open-Air-Kino geplant.

Manchmal glichen die Gottesdienste mehr einem Rockkonzert, aber in der Jugendkirche könne es auch sehr ruhig zugehen. Bei einer meditativen Andacht hätten sie sich - im Kerzenlicht und in Decken gehüllt - einfach um den Altar gesetzt, erzählt Schön. Die Kirchenräume teilen sich die Münchner unter anderem mit der katholischen Hochschulgemeinde.

In Neuendettelsau gibt es zwar keinen eigenen Kirchenraum für die jugendlichen Gläubigen, aber das schmälert den Erfolg des Projekts offenbar nicht: Jugendliche organisieren dort beispielsweise zum Reformationstag eine "church night", sie bereiten Gottesdienste vor, zu denen 100 bis 140 Jugendliche kommen - und sie predigen auch mal selbst:

Mit 19 Jahren stand Ulrike Wenzel zum ersten Mal vor der jungen Gemeinde und legte unter dem Titel "Don't give up" die Josephsgeschichte aus. "Trotz der Aufregung war es klasse", sagt sie und ist froh, dass sie damals der hauptamtliche Jugendreferent Andreas Güntzel zur Predigt überredet hat.

Es gibt noch viel zu tun

Die Nürnberger wollen künftig neben einem Jugendpfarrer auch zwei Pädagogen und einen Popmusiker beschäftigen, berichtet Dekanatsjugendpfarrer Thomas Kassenberger. Noch werde dort aber vor allem am Umbau der Lukaskirche getüftelt. "Es ist toll, bei einem so großen und teuren Projekt mitwirken zu können", findet Manuela Wunderlich.

Die neue Kirche solle ein Ort werden, "an dem man das Gefühl hat, gut aufgehoben zu sein", sagt die 19-Jährige, die das Projekt durch ihren Religionslehrer kennenlernte. Auch in Nürnberg sind neben Konzerten und anderen Jugendveranstaltungen vor allem Gottesdienste geplant: mit Techno, Hip-Hop, Gospelmusik, Diskussion und Meditation.

Dass die Jugendkirchen aber sogar kirchenfremde Teenager ansprechen könnten, erwies sich als Illusion. Wer zu den Gottesdiensten und Vorbereitungsteams kommt, hatte meist schon vorher mit der Kirche zu tun, zeigen die Erfahrungen. Auch Susanna Thieg , die als Vorsitzende der Dekanatsjugendkammer an der Nürnberger Jugendkirche mitarbeitet, hat sich schon vorher in der Kirche engagiert.

Sie hat in ihrer Heimatgemeinde Heroldsberg Konfirmanden betreut. Sechs Jahre lange hätte sie die Teenager aus der Kirche "rauskonfirmiert", wie sie es selbst kritisch formuliert: "Es wird bisher noch zu wenig Spirituelles geboten für Leute zwischen 15 und 25", bedauert sie, "wir müssen noch mehr auf die Jugendlichen zugehen."

Und ein bisschen spricht die 23-Jährige dabei auch für sich selbst: "Ich kann Orgelmusik hören und auch einem Pfarrer 20Minuten lauschen", meint sie und lacht, "Aber es geht auch anders."

© SZ vom 8.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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