Spaltung der CSU-Passau:Aufmüpfig und abtrünnig

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Trotz der Schlappe im März bei den Kommunalwahlen hat sich in der Passauer CSU nichts verändert. Die Folgen: Vier Stadträte treten aus, die Partei ist zersplittert.

Martin Kotynek, Passau

Die Macht in Passau lag jahrzehntelang fest in ihrer Hand, abgesichert durch die Kirche, lokale Medien und Vereine. Doch nun, nach der verlorenen Kommunalwahl im März, gleicht die CSU einem Schlachtfeld.

"Wer nicht mit mir stimmt, ist gegen mich" soll die Devise von dem vormaligen OB Albert Zankl gelautet haben. (Foto: Foto: dpa)

Das Amt des Oberbürgermeisters ging an die SPD verloren, den Posten des Zweiten und Dritten Bürgermeisters schnappten sich andere Parteien, eine Abstimmungspanne folgt der nächsten, die Fraktion treibt ohne Chef orientierungslos dahin.

Und jetzt verlassen auch noch vier CSU-Mitglieder die Fraktion - oder, wie der vormalige OB Albert Zankl sagt, "sie stehlen sich davon". Das ist der Ton, der zurzeit in der Passauer CSU herrscht.

Wer sonst sei wohl an dem Wahldebakel schuld, wenn nicht "die Abtrünnigen", wie Parteifreunde die vier ausgetretenen Stadträte Andreas Dittlmann, Peter Pell, Ursula Karl-Hellwing und Renate Zehner nennen? Sie hätten durch "wiederholt aufmüpfiges Verhalten" die Geschlossenheit der Partei zerstört und die Wähler so den anderen Parteien in die Hände getrieben, heißt es in der CSU.

"Ganz klar: Das war reines Machtstreben der Vier", sagt Zankl. "Dass sie nun austreten, hat keinen zwingend nötigen, triftigen Grund - außer, dass es bequemer ist, auf der Seite der Gewinner zu stehen", sagt Zankl.

Aber vielleicht könnte es auch so gewesen sein: "Die CSU hat in vielen Bereichen erfolgreiche Politik gemacht, aber die Art und Weise, wie diese Erfolge erreicht wurden, hat die Wähler verschreckt", sagt Jürgen Dupper, der neue SPD-Oberbürgermeister von Passau.

Entscheidungen seien über den Kopf der Bürger hinweg gefällt worden. "Rauchgeschwängerten Wirtshausdiskussionen hat sich die CSU nicht mehr gestellt - und damit das verloren, was sie einst groß gemacht hat: den Kontakt zu den Menschen", sagt Dupper.

Die breite Zustimmung verloren

Tatsächlich hat die SPD in der Blasmusik und im Turnverein in Passau längst Fuß gefasst. Das gibt mittlerweile auch die CSU zu. Und sogar die Kirche ist heute stärker in der ÖDP und bei den Grünen verankert als bei den Christsozialen. "Ich bin nicht gewählt worden, um unsere Klientel zu bedienen", sagt Ex-OB Zankl: "Wenn ich davon überzeugt war, dass etwas gut für die Mehrheit der Bürger war, dann haben wir es umgesetzt."

So war es zum Beispiel bei der sogenannten Neuen Mitte, die direkt im alten Stadtkern liegt und im wesentlichen aus einem riesigen Einkaufszentrum besteht, das nur von einem grünen Betonturm überragt wird.

Seit deren Eröffnung gehen die alten Einzelhandelsläden zugrunde. Auch wenn es von der CSU gut gemeint war: An der Neuen Mitte entzündete sich der Volkszorn, was mit ein Grund für die Abwahl von Zankl war.

Nicht selten wurden solche Entscheidungen auch ohne intensive Diskussion im Stadtrat getroffen. "Schon bei Kleinigkeiten arteten Sitzungen in Schreiduelle aus", sagt Peter Pell, der schon im April den Beschluss fasste, die Fraktion zu verlassen.

Als er in dem Gremium einmal darauf hingewiesen habe, dass Bürger öffentliche Toiletten in einem neu geplanten Park forderten, sei er "niedergebrüllt worden". "Man hat uns Stadträten gesagt, wann wir die Hand zu heben haben, ansonsten wurde von uns unauffälliges Verhalten gefordert", sagt Pell.

"Wer nicht mit mir stimmt, ist gegen mich", habe die von Zankl ausgegebene Devise gelautet. "Das konnte nicht gut gehen", sagt Pell.

Und so kam es: Im März wurde die CSU bei der Kommunalwahl vom Wähler abgestraft. Die Partei aber machte weiter, als wäre nichts geschehen: Der abgewählte Oberbürgermeister nahm sein Stadtratsmandat an; mit Chrysant Fischer wurde Zankls engster Vertrauter aus seiner Zeit als Oberbürgermeister Fraktionschef - inzwischen ist er zurückgetreten; und niemand außer "den Aufmüpfigen", wie die vier ausgetretenen Stadträte damals noch intern genannt wurden, wollte über das Wahldebakel sprechen.

"Wenn wir alle Beschlüsse aus den vergangenen sechs Jahren in Frage gestellt hätten, würden wir uns doch unglaubwürdig machen", begründet Fischer die Entscheidung. Die Gründe für die Wahlniederlage wollte man erst nach der Landtagswahl diskutieren - also ganz so, als würde die Landes-CSU über das Debakel bei der Landtagswahl erst nach der Europawahl sprechen.

So lange wollten die vier Stadträte aber nicht warten. "Was soll sich denn ändern, wenn die bisherigen dominanten Personen in der Partei weiterhin an der Macht bleiben", fragt Andreas Dittlmann.

Statt neue Wege zu erproben, würden sie bloß ihre früheren Entscheidungen verteidigen. "Wir wollten nicht bei der nächsten Wahl für die Fehler der anderen verantwortlich gemacht werden", sagt Dittlmann. So kam es zum Austritt jener, die einen Neuanfang wollten. Jene, die für den Wahlverlust die Verantwortung tragen, sitzen hingegen weiterhin fest im Sattel.

Austritt für den Neuanfang

"Vielleicht ist unser Austritt aus der Fraktion ein Signal an die Basis, die Stimme zu erheben", hofft Dittlmann. Denn eigentlich sei die CSU mit ihren Ortsverbänden gut strukturiert, um die Meinung der Bürger zu erfahren - wenn man das wolle, sagt Dittlmann.

Die Partei müsse die Ansichten der Ortsvorsitzenden und damit der Basis stärker berücksichtigen. "Die CSU muss in Passau und auch auf Landesebene wieder die Hoheit über die Stammtische gewinnen", sagt Dittlmann: "Mir san mir, und was die anderen sagen, interessiert uns nicht - das geht einfach nicht mehr."

Während die CSU-Fraktion im Passauer Stadtrat zersplittert, machen sich nun auch Albert Zankl und Chrysant Fischer Gedanken über die Botschaft der vier Ausgetretenen. "Der Erfolg war mir stets das Wichtigste", sagt Zankl: "Aber dass das Ergebnis unserer Arbeit für sich spricht, war eine Selbsttäuschung."

Damit allein könne man keine Wahlen gewinnen, sagt Fischer. "Die Menschen wählen lieber jemanden, der ihnen Dinge verspricht, die er dann nicht einhalten kann", betont er: "Der Erfolg ist nichts wert." In Passau ist es offenbar noch ein weiter Weg für die CSU, bis sie wieder "näher am Menschen" ist.

© SZ vom 23.10.2008/lawe/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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