Ärger um Comedian Matthias Matuschik:Sexistische Kalauer empören Zuschauer

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Matthias Matuschik (Foto: Lars Krüger/oh)

Ein Auftritt von Comedian Matthias Matuschik erhitzt die Gemüter im oberpfälzischen Weiden. Weil er am Neujahrsabend in seiner Heimatstadt über probiotische Tampons und Intimrasuren witzelte, verließen rund 80 Besucher den Saal, unter ihnen der Bürgermeister.

Von Wolfgang Wittl

Mit dem Wissen von heute, sagt Matthias Winter, würde er den Abend vermutlich anders gestalten. Einerseits. Aber die Zeit lässt sich halt nicht zurückdrehen, was in diesem besonderen Fall andererseits gar nicht einmal so schlimm sein muss. Denn Winter, 38, ist Intendant des Landestheaters Oberpfalz (LTO) - und als solcher hat er in seiner Heimat eine Kulturdebatte angestoßen, wie er es mit einer seriösen Inszenierung niemals auch nur annähernd vermocht hätte.

Das neue Jahr war noch keinen Tag alt, als sich in der Weidener Max-Reger-Halle etwa 300 Leute einfanden, um einen vergnüglichen Abend zu verbringen. Diesmal stand jedoch nicht etwa eine heitere 50er-Jahre-Revue oder ein Potpourri verschiedener Musicals auf dem Programm, sondern "Matuschkes Comedy Kultour".

Matthias Matuschik, gebürtiger Weidener mit Künstlernamen Matuschke, hat sich in gut 20 Jahren Rundfunkmoderation einen Ruf als Mann der unverblümten Ansprache erworben. Dass er diese als Comedian noch freizügiger anwendet, bekamen die Weidener an jenem Abend rasch zu hören: Matuschik kalauerte über probiotische Tampons und über Rasuren im Intimbereich, derweil seine kabarettistischen Mitstreiter über Gott teils in einer Art dichteten und sangen, die nicht jeder im Publikum als jenen "unvergleichlich amüsanten Start ins Jahr 2013" auffasste, den das LTO verheißen hatte.

Schon nach einer halben Stunde wanderten die ersten echauffierten Gäste ab, am Ende hatten etwa 80 Besucher der Veranstaltung den Rücken gekehrt. Wer ausharrte, spendete hingegen johlend Applaus. Was eine jüngere Frau als "echt toll" und "aufrüttelnd" bejubelte, beklagte ein älterer Mann als "größte Katastrophe", die er je in diesem Hause erlebt habe: "Eine Frechheit, dafür Geld zu verlangen." Eine Frau kündigte bei Winter noch am selben Abend ihr Theater-Abonnement.

So geht es nun seit Tagen: Bis heute ist der Neujahrsabend Stadtgespräch geblieben, in der Lokalzeitung tobt eine Leserbriefschlacht sondergleichen, und selbst Medien aus dem gleichen Haus sind sich uneins. Während der Neue Tag die Rezension mit "Gags unter der Gürtellinie" betitelte, lobte der Fernsehsender OTV das Landestheater für eine unkonventionelle, aber "beherzte Entscheidung". Wo die einen sich über eine Posse amüsieren, betrauern andere den Untergang Weidens als Kulturstadt.

Da die Hauptperson zudem wenig Lust auf Deeskalation verspürte, gewann die Debatte zusätzlich an Fahrt. Er habe den Abend sogar als einen seiner besten erlebt, legte Matuschik in einem Interview nach, "eben weil so viele Deplatzierte gegangen sind". Wer keinen Humor verstehe, solle nächstes Mal ins Ballett gehen.

Matthias Matuschik (Foto: Lars Krüger/oh)

Der Rat richtet sich demnach auch an Oberbürgermeister Kurt Seggewiß, der die Show mit seiner Frau ebenfalls vorzeitig verlassen hat, um den Abend lieber mit einem Glas Rotwein ausklingen zu lassen. Auf sexistische und blasphemische Anzüglichkeiten sei er nicht vorbereitet gewesen. Er habe an die Neujahrsgala andere Erwartungen gehabt, sagt Seggewiß.

Das sei ein Fehler gewesen, räumte Intendant Winter mittlerweile in einem offenen Brief ein und entschuldigt sich. Bei einer Besucherbefragung mit Wünschen für die Spielplangestaltung habe allerdings das Genre Kabarett/Comedy mit Abstand die meisten Nennungen gehabt, rechtfertigte sich Winter. Er würde den "begnadeten Entertainer" Matuschik jederzeit wieder buchen, nur nicht an Neujahr. Doch habe die Sache auch ihr Gutes: Etwas Besseres als eine leidenschaftliche Diskussion wie diese könne der Kultur im Grunde gar nicht passieren.

Gleichwohl kommt die Debatte für das Landestheater zu einem sensiblen Zeitpunkt, da der Kooperationsvertrag mit der Stadt im Mai ausläuft. Ob die Kommune das LTO wie bisher mit 73 000 Euro jährlich unterstützt, ist fraglich. Das LTO hatte bei seiner Gründung 2010 die Aufgabe übernommen, die Max-Reger-Halle mit Eigenproduktionen und externen Aufführungen zu bespielen.

Für letztere war bis dahin die "Kleine Bühne" verantwortlich - eine inzwischen aufgelöste "Altherrenriege, die das wunderbar gemacht hat", wie der Oberbürgermeister sagt. Das LTO hingegen habe gerade beim Sprechtheater die Erwartungen nicht erfüllt. Denkbar sei daher, die 73.000 Euro künftig aufzuteilen: zum einen für Produktionen des LTO sowie für externe Darbietungen, um die sich dann entweder die Stadt, die Max-Reger-Halle oder wieder eine Gruppe engagierter Bürger kümmern könnten. Für das LTO müsse dies kein Schaden sein, sagt Intendant Winter, weil Gastspiele von Tourneetheatern sich ohnehin schädlich auf die Förderung durch den Freistaat auswirkten.

Grundsätzlich, betont Oberbürgermeister Seggewiß, stehe er nach wie vor zum Landestheater. Auch Matthias Matuschik schätze er als Person außerordentlich. Daher komme es für ihn überhaupt nicht infrage, den Moderator für den nächsten Auftritt in Weiden auszuladen, wie es einige Mitbürger vehement fordern. Schon am 12. Januar, zur Eröffnung der Ballsaison, soll der als "einer der berühmtesten Söhne der Stadt" angekündigte Matuschik die richtigen Töne treffen. Dann als DJ.

© SZ vom 10.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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