Sicherungsverwahrung in Bayern:Gefährlich, aber frei

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Die meisten Urteile aus Bayern zur Sicherungsverwahrung halten einer Überprüfung nicht stand: Der Freistaat musste bereits 15 Straftäter aus der Sicherungsverwahrung entlassen - weitere werden folgen.

Mike Szymanski

In Bayern mussten nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bereits 15 gefährliche und notorische Straftäter aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden. Sieben davon werden weiter in geschlossenen Einrichtungen der Bezirkskrankenhäuser untergebracht, acht aber sind auf freien Fuß gekommen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe vom Mai zur Sicherungsverfahrung liegen bei diesen Männern nicht länger die Voraussetzungen vor, um sie weiter wegzusperren zu dürfen. Justizministerin Beate Merk (CSU) sagte der SZ, sie bedauere dies: "Leider haben wir keine Alternative mehr."

Problem im kriminalistischen Alltag: wenn der Vater im Gefängnis sitzt, sind auch die Kinder gestraft. (Foto: dpa/Roland Weihrauch)

Wie sich nun herausstellt, halten die meisten Urteile aus Bayern zur Sicherungsverwahrung einer Überprüfung nicht stand. Die Karlsruher Richter hatten im Mai die Vorschriften über die Anordnung und Dauer der Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt und für eine Reform eine Frist von zwei Jahren gesetzt. Straftäter müssen nur noch dann in Sicherungsverwahrung bleiben, wenn aus ihrem Verhalten eine "hochgradige Gefahr für schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten" abzuleiten ist und sie an einer "psychischen Störung" leiden.

Für sogenannte Altfälle, bei deren Verurteilung noch eine Höchstfrist von zehn Jahren galt, die rückwirkend aufgehoben wurde, und für solche Fälle, in denen die Sicherungsverwahrung erst nachträglich angeordnet wurde, gelten besonders strenge Regeln. Es bleiben der Justiz nur noch wenige Wochen bis zum Jahresende, um jeden Fall einzeln zu überprüfen. Darunter fallen in Bayern insgesamt 34 Sicherungsverwahrte.

Nach Angaben des Justizministeriums sind zwei Drittel der Fälle bereits abgearbeitet. In 15 der 21 Verfahren musste die Sicherungsverwahrung aufgehoben werden. Das Justizministerium geht davon aus, dass die Zahl noch weiter steigen wird. Das Bundesverfassungsgericht habe "sehr enge Vorgaben insbesondere zu der Gefährlichkeit gemacht", für den Großteil der Fälle sei damit zu rechnen, dass die Sicherungsverwahrung für erledigt erklärt würde, heißt es im Ministerium. Befürchtungen, die Gerichte könnten die Vielzahl der Verfahren, in denen in kurzer Zeit neue Gutachten erstellt werden müssten, nicht rechtzeitig bis Jahresende bewältigen, wies die Ministerin zurück. Sie gehe davon aus, dass die Verfahren fristgerecht neu aufgenommen würden.

Merk zeigte sich unzufrieden mit den Vorgaben aus Karlsruhe. Sie führten dazu, "dass die Gerichte nun wegen des Urteils auch gefährliche Täter nach der Überprüfung entlassen müssen". Sofern Verurteilte an einer psychischen Störung leiden und eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen, können die Gerichte die Unterbringung in geschlossenen Einrichtungen nach dem Therapieunterbringungsgesetz anordnen. Aber auch dafür lagen in bisher acht Fällen die Voraussetzungen nicht mehr vor. Die Straftäter mussten freigelassen werden.

Die Staatsanwaltschaften haben nach Auskunft des Justizministeriums in allen Fällen strenge Überwachungsmaßnahmen angeordnet. Dazu gehören Meldepflichten bei Polizeidienststellen, Kontakt- und Aufenthaltsverbote. Von kommenden Jahr an will Merk auch elektronische Fußfesseln einsetzen. Im September und November war die Technik an Probanden aus der Justiz getestet worden. Das Justizministerium ist zufrieden: "Es hat sich gezeigt, dass das System in technischer und organisatorischer Hinsicht geeignet ist, eine Überwachung rückfallgefährdeter Straftäter zu gewährleisten", heißt es in der Behörde. Die elektronische Fußfessel sei "einsatzfähig". Allein darauf will sich die Ministerin aber nicht verlassen: "Absolute Sicherheit können sie unserer Bevölkerung nicht bieten." Ihr wäre es am liebsten, die Straftäter blieben weggesperrt.

Vor dem Regensburger Landgericht beginnt am Montag ein Prozess um die Sicherungsverwahrung für einen verurteilten Sexualmörder. Der Mann ist einer der vier Kläger, die im Mai vor dem Bundesverfassungsgericht die bisherigen Regelungen zur Sicherungsverwahrung zu Fall gebracht hatten. Ein heute 33 Jahre alter Mann hatte 1997 im niederbayerischen Kelheim eine Frau erwürgt und sich an ihrer Leiche vergangen. Das Urteil wird mit Spannung erwartet.

© SZ vom 08.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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