Schwarz-gelbe Koalition:CSU und FDP streiten wie nie zuvor

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Schon seit Wochen ist das Klima zwischen CSU und FDP gestört. Doch nach Seehofers Quelle-Besuch eskaliert der Streit - die Parteien werfen sich Unfähigkeit und Wortbruch vor.

Mike Szymanski

Fünf Wochen vor der Bundestagswahl haben sich die Koalitionspartner CSU und FDP in Bayern völlig überworfen. In der Frage nach möglichen Staatshilfen für die von der Quelle-Insolvenz hart getroffene Region Nürnberg werfen sich Regierungsmitglieder gegenseitig Versäumnisse, Inkompetenz oder auch Wortbruch vor.

Machtproben: Wirtschaftsminister Martin Zeil und Ministerpräsident Horst Seehofer. (Foto: Foto: dpa)

Am Freitag hatte CSU-Chef Horst Seehofer erklärt, das Thema Quelle zur Chefsache machen zu wollen. Dazu gebe es keinen Anlass, widersprach Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) am Sonntag. Umweltminister Markus Söder (CSU), der aus Nürnberg stammt, warf Zeil wiederum vor, mit der Situation "überfordert" zu sein.

Der Wirtschaftsminister wies dies zurück. Als stellvertretender Ministerpräsident sorge er sich um das Erscheinungsbild der Regierung. "Wir erleben einen Stil der Auseinandersetzung, der der Regierungsarbeit nicht angemessen ist", sagte Zeil der Süddeutschen Zeitung.

Seit Wochen ist das Klima in der schwarz-gelben Koalition gestört. Zuletzt waren immer neue Streitpunkte aufgetaucht, der Ton war rauer geworden. Vor allem in der Wirtschaftspolitik geraten CSU und FDP immer wieder aneinander.

So auch jetzt, wenn es um Unterstützung für die Region Nürnberg geht. Dort sollen beim insolventen Versandhaus Quelle etwa 1500 Stellen gestrichen werden. Doch ein abgestimmtes Vorgehen des Kabinetts ist nicht zu erkennen.

"Kein Herz für die Region"

Zeil und Seehofer hatten vergangene Woche unabhängig voneinander die Region besucht und Gespräche mit Politikern und Wirtschaftsvertretern geführt. Während Zeil eine Sonderbehandlung für Quelle und die Region ablehnt, erklärte Seehofer, die Staatskanzlei werde von nun an eine "konzertierte Aktion" koordinieren.

Söder, der auch Nürnberger CSU-Bezirkschef ist, verschärfte den Konflikt mit weiteren Äußerungen am Wochenende: "Die FDP zeigt leider keinen Einsatz in der Sache und hat kein Herz für die Region." Der mittelfränkische CSU-Bezirkschef, Innenminister Joachim Herrmann, sagte: "Nur zuzuschauen - das wäre sicherlich ein völlig falsches Staatsverständnis."

Der Ärger in der FDP über derlei Attacken ist groß. Zeil sagte: "Es gibt keinen Anlass, Hilfen für Nürnberg zur Chefsache zu erklären." Alles, was Seehofer vorgeschlagen habe, um der Region unter die Arme zu greifen, sei lange schon auf den Weg gebracht worden. "Dieses kleinkarierte Gezänk bringt den Menschen in Nürnberg gar nichts", kritisierte Zeil. Er hält den Streit für eine "Wahlkampf-Inszenierung", warnte aber den Koalitionspartner, weiter "Wahlkampf auf dem Rücken der Beschäftigten zu führen".

In ungewohnt scharfer Form griff die FDP-Landtagsfraktion den Ministerpräsidenten an. Fraktionschef Thomas Hacker und Landtags-Vizepräsident Jörg Rohde kritisierten dessen Hilfsversprechen. Seehofer und Söder "posieren dabei als Krisenhelfer mit markigen Sprüchen, nicht zu Ende gedachten Plänen und längst bekannten Projekten", sagte Hacker.

Er warf Seehofer vor, seine Versprechen nicht zu halten: Zu oft hätten sich dessen Ankündigungen als "noch nicht realisierbar" erwiesen. "Wenn Seehofer und Söder mit ihrem leeren Wahlkampffüllhorn durch die Lande ziehen, mögen sie die Umfrageergebnisse der CSU im Auge haben, nicht jedoch die Sorgen und Ängste der Menschen." Rohde warnte Seehofer davor, den Standort Nürnberg schlecht zu reden.

Zuletzt hatte es vor der Sommerpause wegen möglicher Staatshilfen für den angeschlagenen fränkischen Autozulieferer Schaeffler heftigen Streit in der Koalition gegeben. Die FDP sieht solche Hilfen kritisch - immer wieder waren Zeil und Seehofer deshalb aneinandergeraten.

Der Regierungschef hatte mehrfach in der Öffentlichkeit dem Unternehmen Unterstützung in Aussicht gestellt. Auch im Laufe einer langen Debatte im Kabinett konnten sich CSU und FDP nicht auf eine einheitliche Linie verständigen. Man versprach sich aber, die Regierungsarbeit nicht weiter vom Bundestagswahlkampf beeinträchtigen zu lassen.

Davon ist derzeit nichts zu spüren, FDP und CSU sind zerstrittener denn je. "Ich weiß nicht, ob die CSU nach der Bundestagswahl in Berlin überhaupt noch Schwarz-Gelb will", sagte Zeil. Sein anfänglich persönlich gutes Verhältnis zu Seehofer gilt mittlerweile als gestört.

Selbst Dienstreisen werden zu Machtproben. Vor kurzem verlangte Seehofer von FDP-Wirtschaftsstaatssekretärin Katja Hessel, sie solle eine Auslandsreise absagen. Es gelte Anwesenheitspflicht im Kabinett. Hessel reiste am Ende trotzdem. Zeil hatte die Reise erlaubt.

© SZ vom 24.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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