Schwaben:Wieder Ekelfleisch in Bayern gefunden

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In Wertingen wurden elf Tonnen Gammelfleisch sichergestellt, weitere 20 Tonnen wurden offenbar bereits an Döner-Hersteller verkauft.

Mike Szymanski

Ein bayerischer Händler hat im Juli offenbar 20 Tonnen Ekelfleisch an einen Berliner Döner-Hersteller verkauft. Die Staatsanwaltschaft Memmingen hat mittlerweile weitere 11 Tonnen ungenießbares Puten- und Rindfleisch auf dem Firmengelände im schwäbischen Wertingen sichergestellt.

Ein bayerischer Händler soll im Juli offenbar 20 Tonnen Ekelfleisch an einen Berliner Döner-Hersteller verkauft haben. (Foto: Foto: AP)

Es war offenbar auch zum Weiterverkauf an Lebensmittelhändler vorgesehen. Die Behörden wurden von einem Lastwagenfahrer informiert, der die Ware am vergangenen Freitag angeliefert hatte. Er schöpfte Verdacht, nachdem der Ehemann der Geschäftsführerin der Firma sofort damit begonnen hatte, die Etiketten von den Fleischabfällen zu entfernen.

Politiker von SPD, Grünen und FDP werteten den jüngsten Fund an Gammelfleisch als Beleg dafür, dass die staatlichen Kontrollsysteme im Bereich der Lebensmittelsicherheit nach wie vor nicht funktionierten.

Die Staatsanwaltschaft Memmingen teilte am Dienstag mit, der Ehemann der Geschäftsführerin habe in den Vernehmungen eingeräumt, dass er das Fleisch an Produzenten von Dönerfleisch weiterverkaufen wollte. Bereits im Juli habe er 20 Tonnen sogenannter K3-Ware, also Fleisch, das nicht mehr genusstauglich ist, umetikettiert und weiterverkauft. Offenbar ist ein Großteil davon bereits verzehrt worden.

Nach Angaben des bayerischen Verbraucherschutzministeriums sind Spezialisten des Landesamtes für Lebensmittelsicherheit derzeit damit beschäftigt, das auf dem Firmengelände beschlagnahmte Fleisch zu untersuchen.

Näherere Erkenntnisse über Vertriebswege erhoffen sich die Ermittler von der Auswertung sichergestellter Liefer- und Vertriebslisten. Womöglich ist umetikettiertes Fleisch auch nach Belgien geliefert worden. Weil sich entsprechende Angaben in Frachtpapieren finden, sind nach Angaben des Ministeriums auch Bundesbehörden eingeschaltet worden.

Kritik der Opposition

Den entscheidenden Tipp hatte den Behörden ein Lkw-Fahrer gegeben, der am vergangenen Freitag die Fleischabfälle in Wertingen angeliefert hatte. Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mitteilte, habe der Fahrer Verdacht geschöpft, nachdem er gebeten wurde, das Fleisch an einem unauffälligen Ort abzuladen.

Der Ehemann der Geschäftsführerin habe anschließend sofort damit begonnen, die Etiketten von der Ware zu entfernen. Der Fahrer meldete dieses ungewöhnliche Verhalten postwendend den Behörden. Auch wenn das Ministerium "die reibungslose Zusammenarbeit der Strafverfolgungs- und Lebensmittelbehörden" lobt, üben Politiker von SPD, Grünen und FDP heftige Kritik an den Lebensmittelkontrollen im Freistaat und an der Arbeit von Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf (CSU).

Der SPD-Landtagsabgeordnete Herbert Müller, stellvertretender Vorsitzender jenes Untersuchungsausschusses, der noch immer zurückliegende Gammelfleischfunde im Freistaat aufarbeitet, sagte: "Es gibt viel Aktionismus, aber noch immer keine effektiven Kontrollen." Wertingen sei jetzt der sechste Gammelfleischfund innerhalb eines Jahres.

Müller bemängelte, dass es wieder nicht Kontrolleure gewesen seien, die den Handel mit ungenießbarem Fleisch aufgedeckt hätten. "Wir halten einen riesigen Apparat an Kontrollen und Spezialeinheiten vor und dann ist es doch der aufmerksame Lkw-Fahrer, der uns den entscheidenden Tipp geben muss."

Sepp Dürr, der Grünen-Fraktionschef im Landtag, sagte: "Schon 2005, als Bayern vom ersten Skandal mit Schlachtabfällen aus Deggendorf erschüttert wurde, hat der Verbraucherminister schärfere Kontrollen angekündigt."

Den "Fleischpanschern" sei es aber offenbar ein Leichtes, unter den Augen der Kontrolleure ihre "ekelerregenden Geschäfte" voranzutreiben.

Die FDP-Verbraucherschutzexperten Marina Schuster und Hans-Michael Goldmann erklärten, der neue Fund beweise, dass sich an der Effektivität der Kontrollen wenig gebessert habe.

Dabei hatte das bayerische Verbraucherschutzministerium schärfere Kontrollen angeordnet, zusätzliche Planstellen geschaffen und die Fachabteilungen hochgerüstet. Thomas Kreuzer, CSU-Abgeordneter und Vorsitzender im Untersuchungsausschuss, nahm Minister Schnappauf demonstrativ in Schutz. Er nannte den Gammelfleisch-Fund skandalös. Derart hochkriminelles Verhalten sei nie völlig zu unterbinden. "Jetzt kommt es darauf an, dass die Täter hart bestraft werden." Auch SPD-Abgeordneter Müller fordert härtere Strafen für Fleischhändler, die Ware umetikettieren.

Im Fall Wertingen hatte aber selbst das harte Durchgreifen der Justiz offenbar nichts geholfen: Nach Informationen der SZ hatte der geständige Ehemann der Geschäftsführerin schon früher mit seinem Vater mit minderwertigem Fleisch in großem Stil gehandelt. Die Firma war dann Anfang der 90er Jahre wegen wiederholter Verstöße gegen das Lebensmittelrecht und illegaler Fleischexporte geschlossen worden.

(SZ vom 29.8.2007)

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