Schulreform:Real- und Hauptschüler sollen zusammen lernen

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Ein Meilenstein der bayerischen Bildungsgeschichte: Nach einer grundlegenden Reform ist die Kooperation zwischen Schularten erlaubt.

K. Riedel u. Ch. Rost

Wolfgang Wittmann packt an. Auch wenn er noch gar nicht so genau weiß, wo er ansetzen muss. Rektor Wittmann will, dass an seiner Hauptschule in Maßbach (Landkreis Bad Kissingen) demnächst auch Realschüler unterrichtet werden. Nur so kann seine Schule überleben, denn in der Region werden immer weniger Kinder geboren. Deshalb feilt Wittmann mit Schulamt, Gemeinde und Kollegium schon lange an einem Konzept, wie Haupt- und Realschüler zusammen an einer Schule lernen können.

Haupt- und Realschüler sollen künftig gemeinsam lernen: Unter einem Dach und in speziellen Intensivierungsstunden auch im selben Klassenzimmer. (Foto: Foto: AP)

Welche Kriterien seine Schule erfüllen muss, damit sie eine der neuen bayerischen Kooperationsschulen werden kann, weiß Wittmann noch nicht genau. Doch dass es solche Schulen geben wird, das hat das Kabinett am Dienstag beschlossen. Es ist ein Meilenstein in der bayerischen Schulgeschichte.

In den Modellschulen, die nun in allen Regierungsbezirken eingerichtet werden, sollen Haupt- und Realschüler gemeinsam lernen - unter einem Dach und in speziellen Intensivierungsstunden auch im selben Klassenzimmer, sogar in den Kernfächern Deutsch und Mathematik. Realschullehrer unterrichten künftig also auch Hauptschüler. Die Kooperationsschulen könnten nicht nur Schulen auf dem Land wie in Maßbach retten. Sie könnten schlicht das Ende der Hauptschule bedeuten - auch in den Ballungsräumen.

"Es kann durchaus sein, dass man über den Namen Hauptschule ernsthaft nachdenken muss", sagte Kultusminister Ludwig Spaenle am Dienstag. Nach wie vor brauche man aber eine Schulart, die auf eine Ausbildung vorbereitet.

Gleich nach Ostern werde er eine umfassende Reform der Hauptschule angehen. Sollten sich die Kooperationsschulen langfristig als geeignet erweisen, könne man überlegen, ob man sie "als zusätzliches Instrument im Werkzeugkasten des bayerischen Bildungssystems implementiert", so Spaenle. Dennoch betonte er die Eigenständigkeit der Schularten.

"Das ist ein Durchbruch im bayerischen Schulsystem, die starre Trennung wird aufgeweicht", sagte Renate Will, schulpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. Langfristig könnte etwas Neues entstehen, auch eine Schulform, die die Hauptschule ablösen könnte oder neben dieser bestehen.

So könnten mehr Schüler einen regulären Realschulabschluss ablegen, auch wenn sie bis zur neunten Klasse die Hauptschule besuchten. Will forderte zudem, auch die Durchlässigkeit zwischen Realschule und Gymnasien zu erhöhen.

Vorrangiges Ziel der Kooperationsschulen sind Spaenle zufolge bessere Bildungsschancen - vor allem für Hauptschüler. Die Durchlässigkeit der Schularten soll erhöht werden, damit mehr Schüler einen Realschulabschluss machen. Der Übertritt zwischen Haupt- und Realschule soll leichter werden.

Imagewechsel leichter gemacht

Doch nicht nur auf dem Land wird die nun erlaubte Zusammenarbeit von Real- und Hauptschulen begrüßt. Auch in den Großstädten bringt sie Vorteile. In München zum Beispiel müssen die Hauptschulen zwar nicht wegen sinkender Schülerzahlen mit anderen Schulen zusammenrücken. Ein enges Miteinander käme den Großstadt-Hauptschulen aber entgegen, weil es den Imagewechsel leichter machen könnte. "Gerade in der Stadt verkommt die Hauptschule zur Restschule, da macht eine Kooperation Sinn", sagt Eva-Maria Volland vom Schulreferat in München.

Mehr als einhundert Konzepte liegen dem Kultusministerium aktuell vor, in denen Kommunen und Schulen ihre Ideen für eine Kooperationsschule entworfen haben. Vielen dieser Schulen mangelt es jedoch an einem Partner, der in unmittelbarer Nähe liegt. Besonders schwierig dürfte es in Großstädten wie München werden, geeignete Schulen für Kooperationen auszumachen. Nur zwei von 44 Münchner Hauptschulen sind unter einem Dach mit einer Realschule. Kurzfristige Zusammenlegungen dürften sich wegen der ohnehin angespannten Raumsituationen an den Schulen in der Landeshauptstadt als äußerst schwierig erweisen.

Und zwischen den Lehrerverbänden ist schon einmal heftiger Streit entbrannt. "Wenn Kooperation die Vorstufe zur Zusammenlegung bedeutet, sind wir dagegen", sagte der Vorsitzende des Realschullehrerverbandes Anton Huber. Auch der Philologenverband, der die Gymnasiallehrer vertritt, warnt vor einer "Atomisierung der Schullandschaft". Die Hauptschullehrer sind natürlich dafür. "Es ist nur gut, wenn die bisherige Abschottung der Schulen aufgebrochen wird", sagt Waltraud Lucic vom Lehrer- und Lehrerinnenverband. Sie will nicht nur gemeinsame Unterrichtsstunden, sondern auch den Austausch der Lehrer der beiden Schularten.

© SZ vom 11.03.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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