Schulpolitik:"Mathematik und Deutsch sind tabu"

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Kultusminister Schneider will den Stoff im G8 nur in Nebenfächern kürzen. Neuestes Projekt: Bayern plant ein zentrales "Südabitur" mit Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen.

Christine Burtscheidt

Am achtjährigen Gymnasium in Bayern soll im kommenden Schuljahr der Stoff in mehreren Nebenfächern reduziert werden. Das kündigte Kultusminister Siegfried Schneider am Samstag auf der Jahresversammlung der Landeselternvereinigung (LEV) an. Außerdem plant Bayern mit Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen den Einstieg in ein zentrales "Südabitur".

"Wer nur das Buch von Seite zu Seite durchnimmt, der muss scheitern" - Kulturminister Schneider fordert auch von den Lehrern Anpassungen an das G8 (Foto: Foto: dpa)

Der Druck auf die Staatsregierung ist nach den Verlusten bei den Kommunalwahlen gestiegen. Denn abgestraft wurde die CSU auch für die Mängel bei der Umsetzung des achtjährigen Gymnasiums (G8). Zwei Stunden stand am Samstag Kultusminister Schneider den Elternverbänden von 300 bayerischen Gymnasien Rede und Antwort. Er werde bei allen anstehenden Entscheidungen einen offenen Diskussionsstil pflegen, "selbst wenn ich am Schluss derjenige bin, der den Kopf hinhalten muss."

Die Stimmung auf der Jahresversammlung war freundlich, dennoch machten die Eltern unmissverständlich ihre Haltung klar. "Der Unterrichtsstoff im G8 muss ohne Nachhilfe zu bewältigen sein", sagte der LEV-Vorsitzende Thomas Lillig. Der neue Lehrplan werde sich mehr an Kompetenz- und Grundwissen orientieren, ganz ohne Detailwissen gehe es jedoch nicht, erwiderte Kultusminister Schneider. Kürzen will sein Haus bei "Lernfächern" wie Geografie, Physik, Geschichte sowie Natur und Technik. Tabu seien hingegen Kernfächer wie Deutsch und Mathematik.

Im April soll der neue Entwurf dem Kabinett zur Entscheidung vorgelegt werden, zuvor will Schneider darüber mit den Eltern und dem Philologenverband diskutieren. Auch forderte er die Lehrerschaft auf, stärker zu einem exemplarischen Lernen überzugehen. "Wer nur das Buch von Seite zu Seite durchnimmt, der muss scheitern." Eltern hatten zuvor beklagt, dass viele "Unterrichtsbeamte" den Geist des G8-Lehrplans nicht Realität werden ließen und stattdessen weiterhin so lehrten, als gäbe es noch das G9.

LEV: Bayern hat Entscheidungen torpediert

Keine Annäherung gab es in der Frage der Stundentafel, bei der sich die LEV klare Kürzungsvorschläge erwartet hatte. Zurzeit müssen bayerische Schüler ein Pflicht-Pensum von 266 Jahreswochenstunden absolvieren. Das ist die Summe der wöchentlichen Unterrichtszeit von der fünften bis zur zwölften Jahrgangsstufe. 240 Jahresstunden hatte Lillig gefordert. Er sah dafür gute Chancen, nachdem die Kultusministerkonferenz (KMK) signalisiert hatte, von den 265 Jahreswochenstunden abzurücken. Nach dem jüngsten KMK-Beschluss reicht es, wenn der verpflichtende Fachunterricht nur mehr 260 Jahreswochenstunden abdeckt. Weitere Stunden sind nur noch ein fakultatives Angebot. Sie zu nutzen, liegt in der Entscheidung der Länder.

Ärgerlich stimmte Lillig, dass Bayern auf der KMK weiter reichende Entscheidungen torpediert haben soll. Er sprach von "Irritationen" und wies darauf hin, dass Ministerpräsident Günther Beckstein versprochen habe, Lehrplan und Stundentafel zu straffen. Minister Schneider machte jedoch deutlich, dass mit ihm eine Kürzung auf 240 Jahreswochenstunden nicht machbar sei. "Damit sind wir nicht mehr konkurrenzfähig." Darüber hinaus ließ er auch offen, ob und in welcher Weise Bayern den Spielraum von sechs Unterrichtsstunden nutzen werde.

Zu große Klassen als wesentliches Problem

Kürzungen sollte man "sich mehr als gut überlegen", sagte er, zumal da erfolgreiche Pisa-Länder in Ostdeutschland wie Thüringen oder Sachsen ihren Schülern 268 Jahreswochenstunden zumuteten. Niveauverluste werde er nicht dulden, sagte Schneider. Er wolle dafür werben, dass bayerische Anforderungen bundesweit Standard würden und kündigte ein zentrales "Südabitur" an. "Ich bin schon in Gesprächen mit Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen über gemeinsame Abituraufgaben in Mathematik und Deutsch." Die LEV fordert seit geraumer Zeit den Einstieg in ein bundesweites Zentralabitur.

Bessern sollen sich am G8 auch die Klassenstärken. Schneider will in den nächsten fünf Jahren die maximale Klassengröße auf 30 Schüler zurückfahren. "Wir werden dafür einen Stufenplan vorlegen", sagte er. Schon für das nächste Schuljahr gab er das Ziel vor: "Keine Klasse über 33 Schüler." Viele Eltern und Lehrer sehen zu große Klassen als wesentliches Problem des Gymnasiums. "Belastung ist doch nicht die Frage, ob eine Stunde mehr oder weniger unterrichtet wird, sondern wenn Klassen 32 Schüler und mehr überschreiten", sagte der Direktor des Bad Aiblinger Gymnasiums, Werner Fiebig.

© SZ vom 10.3.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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