Rottaler Landrätin Bruni Mayer tritt ab:Heißblütige Herrscherin

Lesezeit: 5 min

Manche nennen sie die Königin des Rottals: 24 Jahren hat Brunhilde Mayer als Landrätin regiert - gegen den Willen der CSU. Nun tritt sie nicht mehr zu Wahl an.

Max Hägler

Es ist eine Ära, die da zu Ende geht. 39 Jahre hat die Familie Mayer das niederbayerische Rottal aus dem Landratsamt in Pfarrkirchen regiert - von einer kleinen Unterbrechung juristischer Natur mal abgesehen. Erst Ludwig, dann Brunhilde Mayer, ein schlauer König und eine heißblütige Herrscherin, die zum Nutzen des Landkreises schon mal so etwas wie ein eigenes Landrecht kreierten. Als wäre das nicht schon ungewöhnlich genug, spielte sich das alles gegen den Willen der CSU ab. Nun findet diese Zeit ein Ende: Am Sonntag werden die Bürger im Rottal einen neuen Landrat wählen. Einen Kandidaten aus dem Hause Mayer gibt es aber nicht mehr. Landrätin Brunhilde Mayer, die seit 1987 amtiert, tritt nicht mehr an.

Am Sonntag geht für Bruni Mayer eine Ära zu Ende. Dann wird im Rottal ein neuer Landrat gewählt. Sie selbst tritt nicht mehr an. (Foto: dapd)

Manche sagen zu ihr Königin des Rottals. Es ist eine Landschaft, in der es noch gut 3000 Bauernhöfe gibt. Aber es passt wohl besser, was ihre Freundin, die Kabarettistin Lisa Fitz, erzählt hat: Die Bruni Mayer sei eine, die mit Herz und Verstand Politik mache. "Integer wie eine Mutter." Die da ist für die Schwachen, so wie vor vier Jahren, als sie einer alten Dame nach mehreren Besuchen die geplante Selbsttötung ausreden konnte.

Herzlich, strahlend und extrem präsent tritt Bruni Mayer aus ihrer Tür, ihre Haare hat sie nach oben gesteckt, ein wenig sieht das aus wie bei der Comicfigur Marge Simpson. Man wäre nicht erstaunt, wenn sie ihre Arme ausbreiten und einen fest an ihre Brust drücken würde. Das Amtszimmer im Pfarrkirchener Landratsamt passt dazu, es ist mehr ein Wohnzimmer. Kein Computer auf dem Schreibtisch. Die Vorhänge sind bestimmt von einem angenehmen Meerblau und ein wenig Gelb. Die Fenster stehen offen an diesem schönen Herbsttag. Die Landrätin hat Platz genommen auf einem schlichten weißen Ledersessel, legt ihre Hände ineinander und sagt dann: "Dieses Amt wird mir fehlen."

Klar, aber wieso tritt sie dann nicht noch einmal an, zum fünften Mal wäre es? In diesem Jahr hat Bruni Mayer den Bayerischen Verdienstorden bekommen und selbst Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagt von ihr: "Sie kann stolz sein auf ihr Lebenswerk!" Viel Lob und trotzdem müde? Ja, sagt sie, 64 Jahre ist sie mittlerweile, das spüre sie. Und dann ist ja auch der Biasch tot. Ihr Ehemann, der frühere König des Rottals, wie ihn alle nannten.

An ihm, an Ludwig Mayer, macht sich vieles fest. Bei der CSU war er, führte als junger Mann von 1972 an als erster diesen neu gebildeten Landkreis, der Pfarrkirchen und Eggenfelden zusammenfasste - mit einigem Erfolg. Ludwig Mayer holte Schulen in den Landkreis, er legte den Grundstein für den Kurort Bad Birnbach. Und er war ein Mann mit eigenem Kopf, zunehmend zum Missfallen seiner Partei, zumal ihn Parteifunktionäre und politische Rücksichtnahmen nicht interessierten.

"Nach oben hat er aufbegehrt, unten hat er geholfen", erinnert sich Eggenfeldens SPD-Altbürgermeister Hans Kreck. Als in einer Allee im Landkreis immer wieder schwere Unfälle passierten, wollte Mayer die Bäume fällen. Doch die Oberste Baubehörde weigerte sich, der Landrat stellte daraufhin Strafanzeige - wegen fahrlässiger Tötung. Eine Watschn für die Staatsregierung. Als der gelernte Agrarprodukte-Händler Mayer zu selbstbewusst wurde, da schlug der schwarze Regierungsapparat zurück: Der Landrat hatte dem Simbacher Kreiskrankenhaus mittels kreativer Verhandlungen eine Intensivstation und eine Röntgenanlage verschafft - was dem Landkreis half, firmierte rechtlich aber unter "Subventionsbetrug".

Die Bezirksregierung setzte Mayer ab, weil er "objektiv untragbar" gearbeitet habe; zwei Gerichtsinstanzen bestätigten die Entscheidung. Ludwig Mayer wurde trotzdem wiedergewählt, musste sein Amt aber schließlich verlassen, unehrenhaft, ohne weitere Bezüge. "An die Folgekosten zahl' ich heute noch hin", sagt die Witwe Mayer. Und sie habe lernen müssen, dass Gerichte offenbar "beeinflussbar" seien.

Anfang der 1980er Jahre war das, als der Ludwig dann auch eine Liaison mit der Bruni anfing. Beide waren zuvor schon einmal verheiratet gewesen, ein Unding für die CSU. Aber die Leute im Rottal dachten anders, sie schätzten, was der Biasch erreicht hatte. "A Hund" sei er, sagten sie anerkennend, so jemanden bräuchte man wieder als Landrat. Und nach einer vierjährigen Pause wählten sie 1987 wieder Mayer: Diesmal eben Bruni, die mittlerweile Ludwig geheiratet hatte und auf seinen Vorschlag hin für eine unabhängige Wählergemeinschaft antrat. Der CSU-Kandidat unterlag gegen Bruni in der Stichwahl.

Allen war klar, dass mit ihrer Wahl eigentlich der Biasch gemeint war. "Die erste Wahlperiode war Ludwig mein Berater, dann hab ich mich freigschwomma", formuliert es Bruni Mayer heute. Wobei es ein Kampf war. Von Verwaltung hatte sie damals keine Ahnung, sie ist gelernte Modistin. Bei ihrer ersten Kreistagssitzung blinkten die Schalter mit den Wortmeldungen, die junge Landrätin wusste nicht, wo sie drücken musste, ihr Interims-Vorgänger Poißl war ihr keine Hilfe. "Sie wollten doch unbedingt Landrat werden, dann machens doch selber, hat der gesagt." Die Auseinandersetzungen mit Poißl vergaß Bruni Mayer nicht: Seinen Nachruf im Amtsblatt unterzeichnete sie nicht.

Gleich nach ihrer Wahl ging sie von Tür zu Tür und sagte: "Ich bin jetzt ihre Chefin, aber ich sag's eahna: Ich hab von Verwaltung keine Ahnung. Bitte helfen S' mir." Und wenn ihr jemand etwas abschlagen wollte, im Amt oder bei der Regierung, dann wurde sie weiblich-hinterfotzig: "Sie machen das doch nur nicht, weil ich eine Frau bin und weil ich eine Mayer bin." Wahrscheinlich war das eines ihres Erfolgsrezepte: Bruni Mayer sagt, was sie denkt. So etwas schätzt man in Niederbayern. Und mittlerweile auch bei der CSU, mit deren Hilfe sie, bei aller Abneigung, die meisten Entscheidungen im Kreistag traf.

Eine engagierte Verfechterin der kommunalen Selbstverwaltung sei die Landrätin, sagte Innenminister Herrmann, als er sie vor einigen Tagen persönlich verabschiedete. Eine positive Deutung wohl auch von Brunis oft sehr großzügiger Interpretation des Baurechts. "Ihr ging es dabei aber nie um persönliche Macht und den Einfluss, sie war und ist einfach davon überzeugt, dass der Staat möglichst nah am Bürger sein solle", sagte Herrmann. Auf ihrem Fensterbrett steht ein Foto von Herrmanns Vorgänger Günther Beckstein (CSU). Darauf die Widmung: "Meiner Lieblingslandrätin."

Die wichtigsten Vertrauten ihrer Arbeit: zwei führende Beamte - und natürlich ihr Mann. Abends saß sie mit ihm zusammen, er hatte die Zeitungen durchgearbeitet, war ein scharfer Analytiker. "Spinn' ned gar a so", hat er dann gesagt oder geraten: "Lass dir nix gefallen." Und sie sei fast jedes Mal gescheitert, wenn sie anderer Meinung war und es trotzdem gemacht habe. Einen Moment hält sie inne: "Ich habe keinen Menschen mehr, der mich beraten kann. Mir geht mein Mann ab, ich fühl mich amputiert." Vor sechs Jahren ist er nach schwerer Krankheit gestorben. Der ganze Landkreis hat mit Bruni mitgelitten. Wenn sie Rat sucht, geht sie an das Grab und sagt: "Du kannst ned nur schlafen. Hilf mir."

Doch Ludwig konnte ihr nicht helfen, beispielsweise vor zwei Jahren, als entschieden wurde, wie es mit den Kreiskrankenhäusern weitergehen solle - seit jeher wichtige Prestigeobjekte auf dem Land. Aus wirtschaftlichen Gründen wollte Bruni Mayer die Häuser privatisieren. Ein Aufschrei ging durch den Landkreis, wütende Debatten wurden geführt, schließlich kam es zu einem Bürgerentscheid.

Und Bruni Mayer erlitt eine fürchterliche Klatsche: Beinahe 90 Prozent der Bürger stimmten gegen ihren Plan, die FDP forderte gar ihren Rücktritt. Es war das erste Mal, dass Bruni ihr Gespür für die Befindlichkeit in ihren Landkreis verloren hatte. "Das habe ich persönlich genommen", sagt sie. Wenn man sich bei politischen Gegnern umhört, was sie denn an der Bruni stört, dann kommt meist der Verweis auf dieses Gemüt, das nur Freund und Feind kennt, nichts dazwischen: "Sie ist stur und emotional", sagt etwa der ÖDP-Kreisrat und Religionslehrer Sepp Rettenbeck, der die Revolte gegen den Krankenhausverkauf angeführt hatte. "Vielleicht wie eine besorgte Mutter."

© SZ vom 21.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: