Prozess um Bad Reichenhall:In Klappmesserhaltung verschüttet

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Überlebende der Katastophe von Bad Reichenhall haben erstmals vor Gericht über ihre Todesangst in der eingestürzten Eissporthalle berichtet.

Mit teils erschütternden Worten haben am Donnerstag im Strafprozess um den Einsturz der Eissporthalle von Bad Reichenhall erstmals Überlebende das Unglück geschildert.

15 Menschen starben beim Einsturz der Eissporthallte (Foto: Foto: ddp)

"Ich habe die Hände über den Kopf geworfen, alles hat vibriert", sagte ein damals 19-Jähriger, der am 2. Januar 2006 zusammen mit seiner Schwester in der Halle zum Schlittschuhlaufen war. Als das Dach einstürzte und sein linker Fuß unter einem Balken eingeklemmt wurde, "hat mich irgendwann der Mut verlassen".

Wegen fahrlässiger Tötung sind am Landgericht Traunstein drei Ingenieure und Architekten im Alter zwischen 54 und 67 Jahren angeklagt. Beim Einsturz der Halle kamen 15 überwiegend junge Menschen ums Leben, sechs Schlittschuhläufer wurden schwer verletzt.

Zunächst habe er sich noch mit seiner ebenfalls verschütteten Schwester unterhalten, sagte der derzeit arbeitslose Verkäufer aus, der wegen seiner schweren Verletzungen umgeschult werden muss. "Ich habe ihr die Hand gehalten und gesagt, wir schaffen das." Doch dann habe er geschrien "und mit der Faust auf Wellblech geschlagen, bis sie blutig war", schilderte er.

Nach eineinhalb Stunden kamen die Retter und bargen den Schwerverletzten. Der heute 22-Jährige hat 18 Operationen hinter sich, kann nach seinen Angaben längstens eine Stunde am Stück gehen und bekommt noch heute Panikanfälle. "Immer wenn etwas kracht, habe ich Herzrasen", erläuterte er dem Gericht.

Seine zwei Jahre jüngere Schwester, die bei der Katastrophe nur knapp einer Querschnittslähmung entging, kann sich nicht mehr erinnern, ob sie von einem herabfallenden Teil getroffen wurde. "Ich lag in Klappmesserhaltung eineinhalb Stunden am Boden", schilderte die Schülerin. Bei ihr wurde ein Lendenwirbel zertrümmert.

Eine Mutter, die am Unglückstag mit ihren drei Kindern auf dem Eis war, berichtete von Hallenpersonal, das noch kurz vor dem Einsturz nach oben deutete und sich beriet. "Ich war aber in keinster Weise beunruhigt", sagte sie. Auch auf der Eisfläche herumliegende Teile, womöglich Kabelbinder, hätten ihr keine Sorgen bereitet. Erst nach der Katastrophe habe sie sich gedacht, "jetzt ist es aus".

Ihr heute 14-jähriger Sohn Benedikt erlitt einen Leberriss. "Es ist um Leben und Tod gegangen", schilderte die Mutter der Großen Strafkammer die Rettung ihres Sohnes.

Eklat vom Montag hatte ein Nachspiel

Zunächst aber hatte der Eklat vom Montag das Gericht beschäftigt. An diesem Tag war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft wenige Tage zuvor Akten aus dem Büro von einem der Angeklagten beschlagnahmt hatte. Die Verteidiger hatten empört reagiert, weil sie weder vom Gericht noch von der Staatsanwaltschaft über die Nachermittlungen informiert worden waren. Zudem hätten sie zunächst keine Einsicht in die neuen Ermittlungsergebnisse bekommen.

Oberstaatsanwalt Günther Hammerdinger erklärte am Donnerstag, das Gericht sei sehr wohl "rechtzeitig und vollständig" über die neuen Erkenntnisse informiert worden. Von Vorenthalten von Beweismaterial könne keine Rede sein, rechtfertigte sich die Staatsanwaltschaft.

Zugleich bemühte sich die Anklagebehörde um eine Versachlichung der Auseinandersetzung. "Eine Eskalation der Streitigkeiten ist keineswegs im Sinne der Staatsanwaltschaft", steht in der Erklärung. Zum Eklat vom Montag, bei dem es zeitweise fast tumultartig zugegangen war, merkten die Ankläger an: "Angesichts des Todes von 15 Menschen erscheinen lautstarke und zum Teil polemische Auseinandersetzungen als wenig angemessen."

© dpa/Paul Winterer - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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