Prozess gegen Jäger in Wunsiedel:Wildschweinjagd im Dunkeln

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Ein Jäger (r.) steht wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht. Er hat einen jungen Mann erschossen. Versehentlich wohl. Wie es dazu kam, bleibt wohl unklar. (Foto: David Ebener/dpa)
  • Ein Jäger tötet nachts einen drogenabhängigen Mann, der sich im Maisfeld herumtreibt.
  • Der Staatsanwalt sagt, der Jäger habe den Mann mit einem Wildschwein verwechselt und gezielt auf ihn geschossen. Der Jäger sagt, der Schuss habe sich versehentlich gelöst.
  • Nun hat das Amtsgericht Wunsiedel den Mann wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Von Katja Auer, Wunsiedel

Der Mann hat "einen Kardinalfehler der Jagd begangen", sagte der Richter. "Auf etwas geschossen, das nicht klar zu erkennen war." Deswegen hat das Amtsgericht Wunsiedel den 54-Jährigen aus Schönwald, der vor zweieinhalb Jahren einen jungen Mann erschossen hat, weil er ihn mit einem Wildschwein verwechselte, wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Er muss aber nicht ins Gefängnis, die Strafe wird zur Bewährung auf drei Jahre ausgesetzt. Außerdem muss er 3000 Euro an ein Projekt zur Drogenprävention zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Wie das Urteil zustande kam

Es sei auszuschließen, dass der Jäger einen Menschen töten wollte, sagte der Richter am Donnerstag. Aber auch, dass sich der Schuss ohne jede Verantwortung des Mannes gelöst habe. So hatte er es dargestellt. Wahrscheinlicher sei, dass der Jäger den 26-Jährigen mit einem Wildschwein verwechselt und geschossen habe. Doch auch ein absichtlicher Schuss spreche noch nicht für eine absichtliche Tötung. Auch nicht dafür, dass er billigend in Kauf genommen habe, einen Menschen zu erschießen.

Früh um fünf Uhr "auf der freien Prärie" sei nicht die übliche Zeit für Schwammerlsucher, Liebespaare oder Jogger, sagte der Richter, noch dazu sei dort kein Weg gewesen. Der Angeklagte, der schon seit zwei Stunden auf seinem Hochsitz gesessen und auf Wildschweine gewartet hatte, habe nicht mit einem Menschen gerechnet. Davon sei das Gericht überzeugt, auch deswegen, weil der Mann ein verantwortungsvoller Jäger gewesen sei.

Den Wunsch der Mutter des Getöten könne das Gericht nicht leisten. Nämlich eine "absolute Aufklärung dessen, was in der Nacht der Tat passiert ist". Es bleibt auch unklar, was der junge Mann mitten in der Nacht in dem Waldstück im Fichtelgebirge machte, 50 Kilometer von seinem Heimatort entfernt, ohne Unterwäsche und mit Drogen im Blut. Am Ende lag er tot unter dem Hochsitz.

Die Version des Staatsanwalts

Der Staatsanwalt hatte am Donnerstag statt einer Strafe nochmals gefordert, den Prozess am Landgericht Hof neu aufzurollen, da der Angeklagte nicht wegen einer fahrlässigen, sondern wegen einer vorsätzlichen Tötung angeklagt werden müsse. Zwar geht auch er davon aus, dass der Mann niemanden habe töten wollen.

Dennoch habe er den Schuss bewusst abgegeben und damit billigend in Kauf genommen, einen Menschen zu töten, "weil es nicht klar erkennbar war, ob es ein Mensch oder ein Keiler war." Damit sei die niedrigste Form des Vorsatzes erfüllt. Dass die Sicht schlecht gewesen sei in jener Nacht, hatte zuvor ein Kriminalbeamter bestätigt. Bei einem Test auf dem Hochsitz habe er den Kollegen, der auf ihn zugelaufen sei, nicht erkannt. Es hätte auch eine Wildsau sein können, sagte er. Aber eben auch ein Mensch, argumentierte der Staatsanwalt, deswegen hätte der Angeklagte niemals schießen dürfen.

Was der Verteidiger fordert

Der Verteidiger des Mannes forderte dagegen den Freispruch. Sein Mandant habe "den Schussvorgang abgebrochen", als er das vermeintliche Wildschwein aus dem Auge verloren habe. Als er das Gewehr nach unten richtete, um es zu entspannen, habe sich der Schuss gelöst. Es könne ein schicksalhaftes Zusammentreffen gewesen sein, dass der 26-Jährige in ebendiesem Moment vor der Mündung stand.

Der Jäger wandte sich mit seinem letzten Wort noch einmal an die Mutter seines Opfers. "Wenn ich könnte, würde ich es ungeschehen machen", sagte er. "Aber das geht leider nicht mehr."

© SZ vom 20.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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