Proteste:Milchbauern fordern Sonnleitners Rücktritt

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Erzeuger werfen dem BBV-Chef vor, die Ergebnisse von Seehofers Milchgipfel aktiv torpediert zu haben - und fordern Konsequenzen.

Ch. Sebald

Im Streit um die richtige Milchpolitik greifen die Milchbauern nun ihren Verbandspräsidenten Gerd Sonnleitner massiv an. Am Mittwoch forderten zahlreiche Ortsobleute Sonnleitner auf, von seinem Amt als bayerischer Bauernpräsident zurückzutreten. Zugleich hält die Austrittswelle aus dem Bauernverband an.

Die Milchbauern wollen sich den niedrigen Milchpreis nicht länger gefallen lassen. (Foto: Foto: ddp)

Grund der Kritik an Sonnleitner ist die Entscheidung des Bundesrats gegen den Einstieg in eine neue Milchpolitik. Die Milchbauern werfen Sonnleitner nun vor, dass er in seiner Funktion als Deutscher Bauernpräsident die Ergebnisse des Milchgipfels Ende Juli beim damaligen Bundesagrarminister Horst Seehofer aktiv hintertrieben und sich damit wieder einmal gegen ihre Interessen gestellt habe.

Ob im Berchtesgadener Land, in der Region um Miesbach oder bis weit in den Pfaffenwinkel hinein - seit der Bundesrat sich gegen eine geringfügige Drosselung der Milchproduktion und eine scharfe Einhaltung der Milchquote ausgesprochen hat, herrscht auf den Dörfern tiefe Niedergeschlagenheit. Zumal die Milchpreise in freiem Fall sind und zum Jahresende auch in Bayern wieder unter das Niveau von 30 Cent je Liter rutschen werden.

Zuletzt waren sie vor eineinhalb Jahren so niedrig - seither haben sich allerdings die Produktionskosten - seien es die Preise für den Agrardiesel, Futtermittel oder Dünger - zum Teil drastisch erhöht. Kein Wunder, dass sich bei vielen Landwirten binnen Wochen der Betriebsgewinn halbiert hat. Fachleute rechnen denn auch fest damit, dass sich das Bauernhofsterben beschleunigen wird.

Von den aktuell 44.000 Milchbauern im Freistaat werden demnach 2015 nur noch etwa 30.000 übrig sein. Die Bauern fühlen sich dem Ganzen ohnmächtig ausgeliefert. "Beim Milchstreik im Juni, da haben wir geglaubt, dass uns die Politik und der Einzelhandel und vor allem endlich auch unser eigener Bauernverband unterstützen", sagt ein Landwirt aus dem Raum Rosenheim. "Jetzt hat sich wieder einmal gezeigt, was wir von all den Zusagen halten können."

Dem Ex-Bundesagrarminister und neuen Ministerpräsidenten Seehofer halten viele Milchbauern immerhin noch zu Gute, dass er sich als erster Politiker überhaupt für ihre Forderungen stark gemacht hat. Einen ähnlichen Bonus genießt auch der neue bayerische Landwirtschaftsminister Helmut Brunner.

Wie Seehofer hat er die Entscheidung der Länderkammer scharf kritisiert und sofort nach seinem Amtsantritt mit den Vertretern des BDM über die Milchpolitik gesprochen. Wegen der erbitterten Auseinandersetzung zwischen BDM und Bauernverband ist gerade letzteres für viele Milchbauern ein wichtiges Zeichen.

Und so schlimm die jüngsten Preissenkungen des Einzelhandels für die Milchbauern auch sind, viele verübeln sie den Lebensmittelketten nicht einmal. "Denn die kriegen die Milch und die Joghurts ja von den Molkereien zu Dumpingpreisen angeboten", sagt ein Bauer, "da wäre der Einzelhandel doch schön blöd, wenn er nicht zugreifen würde."

Wo immer in diesen Tagen die Niedergeschlagenheit in Wut umschlägt, richtet sie sich vor allem gegen Sonnleitner. "35.000 Milchbauern haben mit ihrer Unterschrift dokumentiert, dass sie für die neue Mengensteuerung sind", sagt ein Ortsobmann, "aber nicht einmal das hat ausgereicht, dass sich unser Bauernpräsident hinter uns stellt.

Im Gegenteil: Er hat die Umsetzung unserer Forderungen aktiv torpediert, egal ob gegenüber den Länderministern oder Bundestagsabgeordneten." Tatsächlich ist ein Thesenpapier des Deutschen Bauernverbandes, in dem sämtliche Forderungen des konkurrierenden BDM zerpflückt und dezidiert abgelehnt werden, an zahlreiche Politiker gegangen.

"Und wenn man dann gehört hat, mit welchen Worten die Länderminister die Ablehnung unserer Forderungen begründet haben, dann waren das die Argumente des Bauernverbands und zwar wortgleich", sagt der Oberndorfer BBV-Ortsobmann Johann Fuchs, der jetzt mit dem Irschenberger Kreis - einem losen Zusammenschluss von ungefähr 100 Ortsobmännern und Ortsbäuerinnen des Bauernverbands - Sonnleitners Rücktritt gefordert hat.

Im Bauernverband selbst versucht man Ortsobleute wie Fuchs als radikale Minderheit abzutun, die eine demokratisch getroffene Mehrheitsentscheidung einfach nicht akzeptieren wollen. So haben das jedenfalls der oberbayerische Bauernpräsident Max Weichenrieder und der Münchner Kreisobmann Peter Seidl dieser Tage Fuchs und anderen Ortsobmännern vorgehalten. Insider sagen indes, die Rücktrittsforderung treffe exakt die Stimmung der meisten Milchbauern.

"Wo ich auch hinkomme", sagt einer, der gewiss nicht zu den Scharfmachern gehört, "drei Viertel der Milchbauern sagen, Sonnleitner muss weg. Erst dann kehrt Ruhe ein."

© SZ vom 14.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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