Proteste der Ärzte:"Wir sind dann mal weg!"

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Bayerns Fachärzte suchen ihr Heil bei der CSU - und Gesundheitsminister Markus Söder verspricht den Medizinern den Marsch auf Berlin.

Katja Riedel und Dietrich Mittler

Es gibt Momente, in denen muss Markus Söder einfach das Gefühl haben, über einen wirklich guten Draht nach ganz oben zu verfügen. Eben noch hat der Wind dicke Schneeflocken über den Münchner Marienplatz gepeitscht. Jetzt, als er ans Podium tritt, begleitet von Pfiffen und vereinzeltem Applaus, erstrahlt Söder in goldenem Sonnenschein, angekündigt als einer, der sich "vom Saulus zum Paulus gewandelt" habe.

Gesundheitsminister und Ärztefreund: Markus Söder. (Foto: Foto: dpa)

Der ihn so ankündigt, weiß, warum er zu so viel Pathos greift. Wolf Neher ist Facharzt, vor allem aber ist er Facharzt-Funktionär und Mitorganisator des zweiten bayernweiten Protesttages gegen die neuen Honorare, die die Ärzte als existenzbedrohend empfinden.

"Die CSU braucht uns - und wir brauchen die CSU", sagt Neher. Söder habe in den letzten Wochen bewiesen, dass er auf der richtigen Seite stehe. "Nicht Worte, Taten!", schreit einer, der nicht so ganz überzeugt ist, dass Söder und die CSU auch nach der Wahl im Herbst noch die Interessen der Ärzte durchboxen wollen. Redner Neher dagegen kündigt Söder an wie den Heiland: "Er soll sich in unsere Reihen einscharen und mit uns gegen Berlin marschieren." Am Ende wird Neher dem Minister gar die Ehrenmitgliedschaft im Facharztverband antragen.

Für Söder wird sein Auftritt zu einer rhetorischen Trainingseinheit. Und das geht so: Stichwort sagen ("Ulla Schmidt" funktioniert genauso gut wie "Lauterbach"), die Reform als "stümperhaft" bezeichnen und dann noch eine kleine Laufeinheit zwischen sozialistisch-planwirtschaftlichem Dämon und Kapitalismuskritik an den Gesundheits-konzernen.

Erst als es um die Kassenärztliche Vereinigung geht, ist er ein bisschen verunsichert. Lobt vorsichtig die bayerische KV als die beste Deutschlands, schaut in die Gesichter und sagt dann, im Gesicht ein Fragezeichen: "Oh, der Applaus war jetzt nicht so groß." Am Ende wird Söder gesagt haben, dass er jeglichen Zentralismus ablehnt, dass kein Arzt weniger verdienen darf als vor der Reform und dass die ostdeutschen Ärzte nicht auf Kosten der bayerischen mehr verdienen dürfen. Und dass es ihm um die Sache, nicht aber um Wählerstimmen geht. Hier entsteht eine neue Allianz, die den Marsch auf Berlin probt.

Dass Bayerns Ärzte ihre Praxen geschlossen hatten, war nicht nur auf dem Münchner Marienplatz sichtbar. "Wir sind dann mal weg!", konnten die Patienten des Ingolstädter Praxisnetzes Go In am Dienstag lesen. Sie standen wie viele andere Patienten in Freistaat vor verschlossenen Türen. Ärgerlich für all jene, die von der aktuellen Protestaktion der Fachärzte gegen die Honorarreform nichts mitbekommen hatten: "Bereits vergebene Termine für diese Woche entfallen! Vereinbaren Sie diese bitte neu!", ließen die Go-In-Fachärzte ihre Patienten wissen.

Wer seinen Arzt sehen wolle, der solle in die Fußgängerzone von Ingolstadt kommen. Vor dem Modehaus Xaver Mayr werde über die Einschnitte im Gesundheitswesen informiert. Die Passanten hätten überwiegend Verständnis, sagt Hautarzt Markus Stockmeier, der am Infostand der Kälte trotzte: "Es gibt nur wenige, die mürrisch sind."

Am Montag bereits hatten Stockmeier und seine Mitstreiter gut 500 Unterschriften gesammelt. Letztlich, so erklärt Stockmeier den Passanten, stehe und falle mit der Höhe der Arzthonorare die wohnortnahe Versorgung der Patienten. Tausendfach argumentierten so Fachärzte in München, Regensburg, Rosenheim und Memmingen. "Die Fachärzte ziehen an einem Strang", sagt Thomas Scharmann, der Vorsitzende der Gemeinschaft fachärztlicher Berufsverbände in Bayern. Der landesweite Protesttag werde nicht die letzte Aktion sein. Jeden Monat wollen die Fachärzte nun bis zur Bundestagswahl im Herbst zumindest an einem Tag ihre Praxen schließen. Die Ärzte sollten ihre "Wartezimmer als Wahlkampfzentralen"nutzen.

Privatpatient in der Pampa

Doch mit der Einigkeit der Fachärzte ist es nicht weit her: Der neugegründete bayerische Facharztverband will am heutigen Mittwoch in Bad Gögging "die Fortführung des Erlanger Eskalationsmodells" propagieren, welches darauf zielt, dass die Fachärzte in ganz Bayern kollektiv ihre Kassenzulassung zurückgeben. Die bisherigen Facharzt-Funktionäre halten davon nichts: Sprecher Joachim Stier erklärte, schon vergangenes Jahr seien die Hausärzte mit diesem Modell gescheitert. Dabei sei der Hausärzte-Verband viel homogener.

Die Rückgabe der Kassenzulassung sei insbesondere für die Fachärzte auf dem Land riskant: "Wer das Kassensystem verlässt, ist automatisch Privatarzt, und finden Sie mal in der Pampa Privatpatienten", warnte Stier. Mit der von den kämpferischen Ärzten angedrohten kollektiven Rückgabe der Kassenzulassung lasse sich auch kein Politiker beeindrucken.

© SZ vom 25.03.2009/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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