Protest gegen zu niedrige Preise:Bauern kippen Milch weg

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Bayerns Bauern machen im Protest gegen fallende Milchpreise ernst. Sie schicken viele Milchabholwagen unbeladen zur Molkerei zurück. Jetzt drohen leere Milchregale.

Christine Schneebichler ist stinksauer. Erst wettert die Landwirtin am Dienstag vor Kollegen energisch gegen den Preissturz bei der Milch. Später streift sie ihr Dirndl ab und verfüttert im Blaumann kamerawirksam ihre Milch an die Kälber im Stall. Rund 50 Bauern aus der Gegend um Rosenheim protestieren auf Schneebichlers Hof in Neubeuern. Eine liebevoll "Faironika" getaufte Plastik-Kuh gibt kund, was sie wollen: "Die faire Milch", also bessere Preise. Mit einem unbefristeten Lieferstopp wollen die Landwirte ab jetzt Druck auf die Molkereien machen. Schneebichler geht so täglich das Geld für 800 Liter Milch durch die Lappen, die sie verfüttert oder in die Güllegrube schüttet. 34 Cent kriegt sie derzeit pro Liter.

Die meisten Bauern haben noch nie Milch weggeschüttet: "Das fällt verdammt schwer." (Foto: Foto: dpa)

In anderen Gegenden sieht es laut dem Bundesverband der Deutschen Milchviehhalter (BDM) noch schlechter aus. Schneebichler sitzt im BDM-Bundesbeirat. Der Verband, der den Lieferstopp organisiert, will einen Basispreis von 43 Cent pro Liter Milch durchsetzen. "Die Aktion der Bauern ist überwältigend", gibt sich Bernhard Heger begeistert. Der BDM-Kreisvorsitzende von Weilheim-Schongau, ebenfalls Mitglied im BDM-Bundesbeirat, ist "wirklich begeistert", weil sich "weit über 90 Prozent" der rund 950 Mitgliedsbetriebe im Landkreis Weilheim-Schongau an dem Lieferstopp beteiligen.

Keine andere Wahl als die Milch zu vernichten

Heger kostet es "große Überwindung", die Milch seiner rund 40 Kühe zu vernichten. "Es fällt jedem Bauern verdammt schwer", betont der 41-jährige Landwirt. "Ich hab das noch nie gemacht", fügt er betroffen hinzu und macht gleich noch seinem Ärger darüber Luft, dass die Bauern angesichts hungernder Menschen in der Welt dafür kritisiert werden, Nahrungsmittel wegzukippen: "Da ist kein Zusammenhang." Die Landwirte hätten "keine andere Wahl mehr", weil sich die Situation "so zugespitzt" habe, bekräftigt er.

Der Familienvater, der im "Zweimannbetrieb" mit seiner Frau Milchwirtschaft, Direktvermarktung und Urlaub auf dem Bauernhof bewältigt, kann seinen Kindern unter diesen Umständen nicht "ruhigen Gewissens" empfehlen, den Hof weiterzuführen. Er beziffert seine Arbeitszeit auf bis zu 80 Stunden pro Woche. Unterstützung erhalten die Bauern von Bayerns Landwirtschaftsminister Josef Miller (CSU): "Wir werden die Milcherzeugung in Bayern nur dann aufrecht erhalten können, wenn unsere Milchbauern mit ihrer Arbeit auch ein ausreichendes Einkommen erwirtschaften können."

Wie lange keine Milch mehr geliefert werde, sei noch unklar, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands deutscher Milchviehhalter (BDM), Romuald Schaber. Er warnte schon zu Beginn der Aktion davor, dass in den Supermarktregalen Milch und Joghurt bald knapp werden. Der Einzelhandel sieht allerdings "zum jetzigen Zeitpunkt keine Versorgungsprobleme", wie Gernot Kasel von Edeka sagt. Es gebe schließlich Verträge mit den Molkereien. "Wir gehen davon aus, dass diese Verträge auch entsprechend erfüllt werden." Der Geschäftsführer des Milchindustrieverbands (MIV), Michael Brandl, wirkt ebenfalls gelassen. Zur Not könne man auf dem europäischen Markt einkaufen, sagte er.

Landwirt Josef Paul, ganz vorne in der Menge vor Schneebichlers idyllischem Bauernhaus, kann da nur lachen. "Stimmungsmache" und "Märchen" nennt er solche Ansagen. Im Ausland seien keine Überschüsse vorhanden, weiß er. Vielmehr seien die Bauern dort froh über die Proteste in Deutschland und erhofften sich allgemein steigende Preise. Paul ist überzeugt: Wenn die Bauern 14 Tage durchhalten, "dann haben sie gewonnen". Dann gebe es auf jeden Fall Engpässe.

Christine Schneebichler ist in jedem Fall zuversichtlich. "Wenn ich die Solidarität hier sehe, dann fühle ich mich gut", sagt sie. Wie wichtig die Aktion für viele ihrer Kollegen ist, wurde ihr bei einer Protestkundgebung am Montag vor der Molkerei Weihenstephan in Freising so richtig klar. Sie stand in der Menge, Seite an Seite mit "gestandenen Bauern". "Denen sind die Tränen runter gelaufen."

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