Probleme bei Schulen:Rekordzustrom auf überfüllte Gymnasien

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Raumnot und Lehrermangel: In Ballungsräumen wie Regensburg müssen Kinder abgewiesen werden.

Christine Burtscheidt

Die Gymnasien platzen jetzt schon aus allen Nähten. Mammutschulen mit 1700 Schülern, große Klassen und Lehrermangel sind Alltag in den Ballungsräumen. Im neuen Schuljahr wird sich die Lage zuspitzen.

Der Zustrom aufs Gymnasium fällt in diesem Jahr offenbar so stark aus wie nie zuvor: Die Schulen rechnen vor allem in großen Städten mit einer neuen Rekordübertrittsquote.

"Die ganze Bildungslandschaft ist in eine Richtung verschoben", stöhnt Richard Sparrer, Direktor am Werner-von-Siemens-Gymnasium in Regensburg. Die Richtung weist weg von der Hauptschule hin zum Gymnasium. Acht Gymnasien gibt es in Regensburg. Noch 2002 lag dort die Übertrittsquote laut Bildungsbericht der Staatsregierung bei 39,9 Prozent. Vergangenes Jahr erreichte sie die 50 Prozent.

Im Herbst rechnet Sparrer mit einer satten "50 plus", obgleich er Fahrschüler aus dem Landkreis schon gar nicht mehr aufgenommen hat. Dennoch sind es auch diesmal wieder 120 Schüler, für die es an seiner Schule keinen Platz gibt. Sie müssen auf andere Schulen verteilt werden. Sparrer sieht sich nicht in der Lage, im Herbst mehr als sechs Eingangsklassen zu bilden. Genauso geht es weiteren fünf Gymnasien in der Stadt. "Der Bedarf für eine neue fünfzügige Schule wäre da."

"Der Trend nach oben wird anhalten"

Raumnot melden auch andere Städte wie München an. Dort hat die Übertrittsquote längst die 50 Prozent erreicht. Allein dieses Jahr steigt sie um drei Prozentpunkte erneut an. Dabei fehlen jetzt schon drei Gymnasien in der Landeshauptstadt. In Boomregionen wie Freising sollen Schulleiter ihre Einrichtung bei interessierten Eltern bewusst schlechtreden, um Bewerberquoten gering zu halten. Doch das hilft nichts.

"Der Trend nach oben wird anhalten", sagt der Deggendorfer Schulleiter und Vorsitzende des deutschen Philologenverbands, Heinz-Peter Meidinger. Entspannung sieht er erst wieder von 2011 an, wenn der neunjährige Schulzug ausläuft und endgültig auf das achtstufige Gymnasium (G8)umgestellt ist. "Dann verlieren wir auf einen Schlag zehn Prozent Schüler, doch bis dahin bleibt es eng."

Sein Kollege Scharrer wagt eine andere Prognose: "Das bleibt auch nach 2011 noch so." Regensburg sei ein großer Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort. "Selbst Eltern aus bildungsferneren Schichten schicken ihre Kinder aufs Gymnasium, weil die Wirtschaft Leute mit bestmöglicher Ausbildung braucht."

Bayernweit stagnierte jahrelang die Übertrittsquote aufs Gymnasium, seit 2002 stieg sie plötzlich um fünf auf 37 Prozent an. 38 bis 39 könnte sie im Herbst erreichen. Noch sind es nur Schätzungen, die das Kultusministerium nicht bestätigen, aber auch nicht ausschließen will. "Man muss das regional sehr differenziert sehen, aber an Standorten wie München und Regensburg brauchen wir auf Dauer sicherlich neue Gymnasien", sagt Kultusstaatssekretär Bernd Sibler.

Das gilt ebenso für Roth, Buchloe, Augsburg, Landshut und Ingolstadt. Neue Gymnasien sind dort in Planung oder werden schon gebaut. "Jedes Kind, das geeignet ist, soll auf das Gymnasium gehen", sagt Kultusminister Siegfried Schneider. Er werde alles tun, dass Anträge der Kommunen schnell genehmigt werden. Für ihn ist die Nachfrage ein Beweis für die Akzeptanz des G8.

Zu wenige Lehrer

In München werden die neuen Gymnasien jedoch zu spät kommen. Das, sagt Schneider, sei ein ziemlich hausgemachtes Problem, da dort Neubauten nicht rechtzeitig beantragt, zugleich jedoch die Klassenhöchststärke an den kommunalen Einrichtungen auf 30 Schüler gedeckelt worden sei. Genau dieses Ziel hat sich jedoch Schneider inzwischen selbst für die nächste Legislaturperiode gesetzt.

Bereits in diesem Herbst soll keine Klasse mehr als 33 Schüler zählen. Dafür erhalten die 300 staatlichen Gymnasien Geld für weitere 800 Lehrerstellen. Doch die Direktoren haben Zweifel geäußert, sie alle besetzen zu können. So sagt auch der Regensburger Schulleiter Scharrer: "Ich bin froh, wenn ich die 33 schaffe."

Ursache ist der Lehrermangel. In Latein, Chemie, Französisch und Englisch gibt es keine Bewerber auf dem Arbeitsmarkt. Zwar ist Sibler optimistisch, dass die Referendarzahlen schon im nächsten Jahr wieder steigen. "Chemie und Biologie ist dann kein Problem mehr." Doch in Mathematik oder Physik lässt sich der Mangel an Lehrkräften kaum beheben, weil Mathematiker und Physiker in der Wirtschaft besser verdienen.

© SZ vom 5.6.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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