Polizist vor Gericht:Die Tortur der Erntehelfer

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Der Betreiber einer Erdbeerplantage steht wegen Ausbeutung und Menschen- handels vor dem Augsburger Landgericht. Der beurlaubte Polizist soll jeden vertretbaren Lohn unterboten haben.

Mike Szymanski

Es gab ja einige Leute in der schwäbischen Ortschaft Oberndorf im Kreis Donau-Ries, die von einem "Happyend" sprachen. Im vergangenen Sommer hatte sich Reinhold Demel, Leiter der Augsburger Agentur für Arbeit, vor mehr als 50 rumänische Erntehelfer in Unterhemden und bunten Shorts gestellt und ihnen verkündet, in Brandenburg würden Gurkenpflücker gebraucht. Stundenlohn 3,58 Euro. Die Rumänen jubelten. Hier in Oberndorf hatten sie mitunter für 1,50 Euro pro Stunde Erdbeeren gepflückt, bis die Behörden dem ein Ende setzten.

Wilde Erdbeeren-Zustände: Vor dem Augsburger Landgericht muss sich ein 49-jähriger beurlaubter Polizist wegen Ausbeutung verantworten. (Foto: Foto: dpa)

Seit Mittwoch muss sich vor dem Augsburger Landgericht ein beurlaubter 49-jähriger Polizist verantworten, der als Betreiber einer Erdbeerplantage offenbar die Lohngrenzen nach unten ausgelotet hat. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, die 59 Erntehelfer ausgebeutet zu haben.

In einigen Fällen ist sogar von Menschenhandel die Rede. Auch mit den Arbeitspapieren hatte es der Polizist offenbar nicht so genau genommen. Mit ihm ist ein 37 Jahre alter Geschäftspartner wegen Beihilfe angeklagt. Er soll über ein rumänisches Anwerbebüro die Helfer vermittelt haben.

Beide weisen die Vorwürfe zurück - die Helfer hätten als Selbständige ihre Arbeitskraft angeboten und wären nach der in Akkord geleisteten Arbeit bezahlt worden. Laut Staatsanwaltschaft war den Pflückern in ihrer Heimat ein Stundenlohn von mindestens fünf Euro versprochen worden. Der Betreiber der Plantage soll seinen Pflückern, die im Schnitt zehn Stunden täglich schufteten, knapp 21000 Euro vorenthalten haben.

Einige Bewohner aus Oberndorf hatten von Erntehelfern berichtet, die sich vor Hunger den Bauch rieben. Als die Behörden die Wohncontaineranlage schlossen, fanden sie katastrophale hygienische Verhältnisse vor. Es fehlte an genügend Wasseranschlüssen und Waschräumen, die mobilen Toiletten waren nach zwei Wochen das erste Mal geleert worden. Jedem Pflücker standen zweieinhalb Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung. Dafür hatte der Betreiber pro Nacht noch drei Euro vom Lohn abgezogen, so die Staatsanwaltschaft.

Bis Ende Februar will das Landgericht den Fall verhandeln, etwa 20 Zeugen hören und möglicherweise wird im Zuge des Verfahrens auch der eine oder andere Erntehelfer zur Aussage nach Augsburg gebeten. Dem Polizisten, der sich seit 2003 in Erziehungsurlaub befindet, droht zudem die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. Zurzeit hat die Polizei in Schwaben gleich in mehreren Fällen Ärger mit Polizisten, die sich nicht an Gesetze halten. Die Staatsanwaltschaft hat gerade erst Anklage gegen einen Drogenfahnder aus Dillingen erhoben, der 40000 Euro unterschlagen haben soll.

© SZ vom 17.01.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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