Politischer Aschermittwoch in Bayern:"An der Nuscheligkeit ließe sich arbeiten"

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Zum Tag der großen Reden verrät Rhetorikprofessor Joachim Knape, was Erwin Huber von Strauß und Gysi lernen könnte.

Interview: Rudolf Neumaier

Es gab einmal eine Zeit, da wurden gute Sprüche am Politischen Aschermittwoch bejubelt wie Tore im Fußball. Deswegen war es ziemlich laut in der Passauer Nibelungenhalle. Zwischenzeitlich fiel der Jubel nicht mehr ganz so euphorisch aus, Buhrufe gegen eine Landrätin waren jedenfalls lauter. Wird Zeit für die Frage, wie Aschermittwochsredner besser ankommen. Joachim Knape ist Professor für Rhetorik an der Universität Tübingen. Er hört den Politikern genau zu.

Tritt heute beim Politischen Aschermittwoch in Passau auf: CSU-Chef Erwin Huber. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Sie prämieren Politiker für herausragende Reden. War schon ein bayerischer Politiker dabei?

Joachim Knape: Ein Politiker nicht. Auch wenn ich Seminare über große Reden halte, sind bisher keine bayerischen Politiker vorgekommen. Außer Franz Josef Strauß. Der war schlagfertig, gewitzt, kultiviert, aber er hatte gleichzeitig dieses hohe Maß an Intelligenz, zu erkennen, in welcher Situation er deftig werden muss. Er war ein großer Redner der Bonner Republik, mitunter brillant.

SZ: Dieses Jahr wird Erwin Huber als CSU-Chef seine erste Passau-Rede halten. Manche Leute sagen, bei seinen Auftritten schlafen ihnen die Füße ein. Soll er sich noch ein paar Strauß-Videos reinziehen und dann trainieren?

Knape: Der Trainingserfolg bei Huber würde sich in Grenzen halten. Strauß hatte ja schon einen ganz anderen Bildungshintergrund, wenn Sie an seine Latinismen denken, die er einstreute und dann wieder mit Anekdoten verband. Er schöpfte aus einem riesigen Repertoire.

SZ: Herrje.

Knape: Zum einen muss man der Typ sein und Talent besitzen, zum anderen hängt es von der Lebensgeschichte ab, ob Sie sich zu einem guten Redner entwickeln. Gut sind sie dran, wenn Sie sehr früh eine Führungsposition in allervorderster Front übernehmen können. Karrieren werden heute nicht selten in den Hinterzimmern gestrickt, wo Aspekte der Kommunikation eine untergeordnete Rolle spielen und der rhetorische Trainingseffekt gering ist. Wenn diese Leute dann wirklich was geworden sind, haben sie ein Problem. Das ist in der Politik nicht anders als in der freien Wirtschaft.

SZ: Trotzdem - wie könnte sich Huber als Redner verbessern?

Knape: Es würde ihm nicht schaden, wenn er mit einem Coach Videos seiner letzten Reden durchgehen würde. Dann wäre er wohl erst mal schockiert, aber die gröbsten Fehler könnte er abstellen.

SZ: Dass er so stark herumfuchtelt . . .

Knape: . . . zum Beispiel. Auch an der Nuscheligkeit ließe sich arbeiten. Es sind kleine Dinge, die man durch Coaching ändern kann. Die Persönlichkeit der Leute kriegt man nie weg. Daher ist es am besten, wenn man die Persönlichkeit gezielt zur Geltung bringt. Das wirkt authentisch und stark.

SZ: Dann müsste Huber ja bairisch sprechen.

Knape: Ach, warum nicht. Das Schlimmste für einen Politiker ist, wenn die Zuhörer das Gefühl haben, dass einer ohne Not herumfuchtelt und nicht als der auftritt, der er ist. Wer gezielt seine Arme und Hände einsetzt, will Emphase erzeugen. Der Schuss kann aber schnell nach hinten losgehen, wenn es ungeschickt wirkt.

SZ: Klingt alles nicht gut für Erwin Huber.

Knape: Unter Umständen kann es sich für eine Partei wie die CSU mittelfristig zu einem Problem auswachsen, wenn man zu wenige kommunikativ schlagkräftige Repräsentationsfiguren hat. Dann verstärkt sich das Image der Mittelmäßigkeit.

SZ: Würde Horst Seehofer glänzen?

Knape: Er ist ein geschliffener Redner.

SZ: Ein Wort zu Edmund Stoiber.

Knape: Luther hat drei Maximen für gute Redner formuliert: Tritt fest auf, machs Maul auf, hör bald auf. Die besondere Kunst der Prägnanz hat der späte Stoiber nicht mehr hingekriegt, deswegen ist er am Ende gern karikiert worden. Denken Sie dagegen an den berühmten Lakonismus von Helmut Schmidt.

SZ: Gibt es in der heutigen politischen Landschaft überhaupt einen Redner, den Sie als brillant bezeichnen würden?

Knape: Joschka Fischer war so einer. Bei ihm merkte man, dass er die Rolle des Kommunikators in seiner jugendlichen Agitationsumwelt von der Pike auf gelernt hat. Auch Gregor Gysi verkauft sich großartig. Durch seine Kommunikationsqualitäten, die sich aus Schlagfertigkeit, Beharrlichkeit und hoher Intelligenz zusammensetzen, bekommt er auch bei Leuten einen Bonus, die seine sehr linksorientierte politische Ausrichtung für verfehlt halten.

SZ: Apropos linksorientiert. Kennen Sie Franz Maget?

Knape: Ja, der Chef der Landtags-SPD in Bayern.

SZ: Er spricht in der Regel frei, was im Landtag sonst nur noch die Allerwenigsten schaffen.

Knape: Ach ja? Trotzdem hat er ein Ausstrahlungsproblem. Er wirkt sehr seriös, bringt aber keine innere Entschiedenheit rüber, was die alten Griechen mit dem Begriff Prohairesis verbanden. Da war seine Genossin Renate Schmidt anders.

SZ: Und wie viel Prohairesis bescheinigen Sie Günther Beckstein?

Knape: Eine interessante Figur. Weicht deutlich von Stoiber und Huber ab. Kommt authentisch rüber, vielleicht nicht allzu elegant, aber das wird auch nicht erwartet. Seinen Sachverstand nimmt man ihm ab.

© SZ vom 6.2.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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