Peißenberg:Heldentod im Pfarrheim

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Eigentlich hätte das deutsch-türkische Kinderfest in Peißenberg zur Integration beitragen sollen. Doch statt Verständnis löste die Aufführung einen Skandal aus.

Dietrich Mittler und Christian Sebald

Murat Simsek ist am Boden zerstört. Der 33-jährige Metallfacharbeiter aus Schongau ist der Initiator eines Bühnenauftritts, bei dem türkische Buben anlässlich eines deutsch-türkischen Kinderfestes im oberbayerischen Peißenberg in Kampfanzügen den Heldentod verherrlichten.

Ein deutsch-türkisches Kinderfest hat in Peißenberg einen Skandal ausgelöst (Foto: Foto: dpa)

"Wenn wir gewusst hätten, was wir damit auslösen, hätten wir das doch nie gemacht", sagt er. Ihm und den Eltern der teilnehmenden Kinder tue das alles schrecklich leid. "Wir sind keine radikalen Nationalisten", beteuert Simsek. Er habe das Stück so im Fernsehen gesehen - als Beitrag zum "Tag der Gefallenen", der in der Türkei am 18. März an die verlustreiche Schlacht von Gallipoli im Ersten Weltkrieg erinnert. Und da habe er sich gedacht, dass könne man mit den Kindern doch mal nachspielen.

Insbesondere einigen deutschen Zuschauern, die zum Zeitpunkt von Simseks Inszenierung noch im Peißenberger Pfarrzentrum St. Barbara zugegen waren, hatte es angesichts der martialischen Posen - beschallt durch Schlachtenlärm vom Band - die Sprache verschlagen. Lautete der Leitspruch der Veranstaltung nicht "Friede im Lande, Friede in der Welt"? Ein Slogan, der dem türkischen Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk zugeschrieben wird.

Zunächst blieb es nur beim Kopfschütteln und Raunen. Als dann aber Karl-Heinz Ende, der Schulleiter der örtlichen Josef-Zerhoch-Grundschule, in einem Brief an die Lokalzeitung seinem Unmut Luft machte, wuchs sich die Vorstellung, die gut 14 Tage zurückliegt, zum Skandal aus.

"Bei diesem Auftritt löste zuerst ein Mädchen den Kopfverband eines Jungen und küsste seine Wunde. Anschließend stürmte eine Gruppe von Grundschulbuben in Kampfanzügen unter dem ohrenbetäubenden Lärm von Maschinengewehrsalven und Kampfflugzeugen die Bühne. Die Kindersoldaten rannten umher und schossen dabei mit imaginären Gewehren", schrieb der Schulrektor. Am Ende des Stückes sei nur noch die türkische Fahne aufrecht gestanden - umringt von gefallenen Helden.

Pfarrer Engelbert Birkle, der seinen Pfarrsaal für das Kinderfest bereitgestellt hatte, bedauert, "dass bei dem eigentlich gelungenen Nachmittag so ein Ausreißer drin war". Er stelle seinen Pfarrsaal auch weiterhin türkischen Bürgern zur Verfügung. Allerdings werde er sich künftig erkundigen, was da "inhaltlich genau geschieht".

Gleiches hat sich auch Harun Gök, der Veranstalter des Festes, vorgenommen. Er war von der Darbietung ebenfalls schockiert und intervenierte - wie er berichtet - hinter der Bühne, um die peinliche Vorstellung zumindest zu verkürzen. Seine Schongauer Landsleute will er aber künftig nicht mehr einladen.

"Kampfanzüge und Maschinengewehrfeuer haben auf einer Veranstaltung mit Kindern nichts zu suchen", sagt auch Albert Hutterer, der Leiter der Schongauer Grundschule, der nichts vom Auftritt seiner Schüler wusste. "Sonst hätte ich mich schon im Voraus dagegen verwehrt", sagt er.

Simsek hat sich mittlerweile bei allen entschuldigt. "Hoffentlich", so seine Angst, "wird jetzt nicht an der Schongauer Schule die türkische Klasse geschlossen." Seine Aufführung wird noch lange von sich reden machen. "An Instinktlosigkeit nicht zu überbieten", ist das einhellige Urteil rund um Peißenberg.

© SZ vom 10.05.2008/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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