Passauer Mordprozess:Zwischen Liebe und Besessenheit

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Im Prozess um den Raubmord an einer Studentin in Passau hat der Hauptangeklagte sich erstmals zu Details geäußert. Der 19-Jährige fragt sich, wie er zu seiner grauenhaften Tat fähig war.

Rolf Thym

Es ist kurz vor der Mittagspause des vierten Verhandlungstages, als der Staatsanwalt sagt, er mache "den letzten Versuch", vom Hauptangeklagten eine plausible Antwort auf die für diesen Mordprozess sehr wesentliche Frage zu erhalten: Warum hat Jan H. 27 Mal auf Caroline B. eingestochen?

Der angeklagte Jan H. vor dem Passauer Landgericht. (Foto: Foto: dpa)

Schon zwei Stunden zuvor hatte der 19-Jährige einen Grund genannt: "Weil sie so geschrieen hat." Der Staatsanwalt aber will auf einen anderen Umstand hinaus. Jan H. hat gestanden, dass er der ausführende Täter war - der Antreiber aber war nach Ansicht der Ankläger Andreas S., der nun mit seinem früheren Freund vor der Großen Jugendstrafkammer des Passauer Landgerichts des gemeinschaftlich begangenen Mordes angeklagt ist.

"Mach doch, mach doch. Bring sie doch endlich um!" - mit diesen Worten habe S. ihn zu dem Mord angetrieben, sagt Jan H. Und was, will der Staatsanwalt vom ihm wissen, wäre wohl geschehen, wenn S. gesagt hätte, er solle es bleiben lassen? "Dann", antwortet H., "wäre es kein Thema mehr gewesen."

Andreas S. hat bereits am ersten Prozesstag jegliche Beteiligung an dem Mord, auch eine Anstiftung dazu, energisch bestritten. Es steht Aussage gegen Aussage, wobei es für S. um viel geht: Ihm droht lebenslange Haft. H. aber kann nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden. Dem Gericht hat er gesagt: "Ich rechne mit der Höchststrafe." Das sind zehn Jahre Haft.

Seit dem 8. Januar versuchen die Richter die Hintergründe dieses Mordfalls zu erhellen, der wegen seiner Grausamkeit bundesweit Aufsehen erregte. Begonnen hat alles harmlos: Vor 13 Monaten, bei einer Silvesterparty in Hannover, lernten sich H. und Caroline B. kennen, die junge Frau lud den Mann nach Passau ein, wo sie studierte. Ende Januar 2007 stand er dann auf dem Passauer Bahnhof, mitgekommen war sein Freund Andreas S.

Knapp zwei Wochen lang quartierten sich die beiden bei Caroline B. ein, schlugen in der kleinen Wohnung die Zeit mit exzessivem Biertrinken, Internetpoker, Musik und Filmen tot. Passau sollte nur eine Zwischenstation sein, zumindest nach den Vorstellungen von Jan H., er wollte in den Süden auswandern, nach Spanien. Andreas S. sollte mitkommen. Caroline B. hatte das dazu nötige Geld. An das wollten H. und S. laut der Anklage der Staatsanwaltschaft kommen.

Vor Gericht gesteht H. an diesem vierten Prozesstag, dass er die Studentin "schon sehr, sehr gern gemocht" und "die ruhigen Momente" mit ihr genossen habe. Dennoch habe er, angestachelt von Andreas S., zum Messer gegriffen und wie ein Besessener auf die 21-Jährige eingestochen.

Der Vorsitzende Richter will wissen, was "da passiert" sei, dass sich Jan H.s Gefühlswelt so extrem gedreht habe. "Das ist die Frage, die ich mir auch oft stelle", antwortet H.. "Ich glaube nicht, dass ich eigentlich der Mensch für so was bin." Fragen, die auf ein mögliches Abhängigkeitsverhältnis zu Andreas S. abzielen, wehrt H. energisch ab.

Am Rand des Verfahrens ist es zu einer besonderen Begegnung gekommen: Der als Nebenkläger anwesende Vater von Caroline B. hat ein langes, vertrauliches Gespräch mit Jan H. geführt. Möglicherweise hat die Unterredung zu Jan H.s Geständnis vor Gericht beigetragen.

© SZ vom 18.01.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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