Orkantief:"Emma" haut die Bayern

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"Emma" fegt über Deutschland - im Freistaat drückte der bisher schwerste Sturm dieses Winter sogar einen Reisebus in den Straßengraben und riss eine Kirchenturmspitze ab.

Das Sturmtief "Emma" mit seinen orkanartigen Windböen, Hagelschauern und Wintergewittern hat am Wochenende in Bayern zu zahlreichen Unfällen mit Verletzten und Schäden in Millionenhöhe geführt. Bei Oberpfaffenhofen (Kreis Starnberg) starb ein 72 Jahre alter Rollerfahrer, als er mit seinem Gefährt von einer Böe in den Gegenverkehr gedrückt und von einem Lkw erfasst wurde.

Die abgebrochene Kirchturmspitze der Asambasilika in Osterhofen-Altenmarkt liegt im Dach der Kirche. (Foto: Foto: ddp)

Umgestürzte Bäume blockierten zahlreiche Straßen. Der Bahnverkehr in Nordbayern und südlich von München kam fast vollständig zum Erliegen. Auch am Münchner Flughafen gab es erhebliche Verspätungen. In den höheren Lagen verschärften starke Schneefälle die Situation. Die Rettungskräfte waren im Dauereinsatz. Am Sonntag fegten erneut Sturmböen über Bayern.

Vor allem im Alpenvorland, in Ostbayern und in Franken wütete der Sturm. Im Flachland erreichten die orkanartigen Böen Geschwindigkeiten von 150 Stundenkilometern, auf dem Wendelstein waren es mehr als 220 Stundenkilometer. Überall deckte "Emma" Häuser ab, riss Solarzellen und Photovoltaik-Anlagen herunter und wuchtete vereinzelt sogar Dachstühle aus der Verankerung.

Außerdem wurden Unmengen Bäume entwurzelt, Bauzäune umgefegt sowie Autos und Wohnwagen auf die Seite gekippt. In Teilen Schwabens, Mittel- und Unterfrankens und in Oberbayern brach wegen gerissener Hochspannungsleitungen und umgeknickter Strommasten zeitweise die Energieversorgung zusammen. Tausende Haushalte waren vorübergehend vom Stromnetz abgeschnitten.

Nahe dem oberbayerischen Erding drückte eine Windböe einen österreichischen Reisebus in den Straßengraben. Der Bus, der unterwegs zum Flughafen war, kippte um. Die vier japanischen Passagiere und der Fahrer wurden leicht verletzt. Die aus Schweden stammende Reiseleiterin wurde in eine Klinik eingeliefert.

Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen deckte der Sturm zwei Firmengebäude ab. Auf den Autobahnen rund um München staute sich der Verkehr stundenlang auf eine Gesamtlänge von 130Kilometern. Auf der A99 bei Vaterstetten schlug ein herausgerissenes Verkehrsschild in die Front eines Wohnmobils ein.

Elf Verletzte bei Skirennen

In Balderschwang im Allgäu erlitten elf Menschen zum Teil schwere Verletzungen, als bei den Allgäuer Ski-Meisterschaften eine Böe ein Zelt erfasste und umstieß. Unter den Verletzten sind nach Polizeiangaben auch vier Kinder im Alter von elf bis 13 Jahren. Sie wurden von drei Notärzten und 16 Sanitätern versorgt. In den übrigen Skigebieten stellten die Bergbahnen den Betrieb ein.

"Die Zugspitze ist zu wegen des Sturms", sagte eine Sprecherin der Zugspitzbahn. Auch am Brauneck ging nichts mehr, ebenso im Bayerischen Wald am Arber. Dort sollte eigentlich der Ski-Weltcup der Damen stattfinden. Nach wiederholten Verschiebungen wurde er am Sonntag endgültig abgesagt.

Im niederbayerischen Osterhofen knickte die Spitze der barocken Asam-Basilika ab und bohrte sich in den Dachstuhl. Der kostbare Innenraum der Kirche war aber am Sonntag weitgehend außer Gefahr. "Die Angst, dass das Gewölbe Schaden nimmt, wenn es stark regnet, ist schon ziemlich eingedämmt", sagte Pfarrer Erwin Böhmisch.

Handwerker deckten das Dach behelfsmäßig ab. Probleme bereitete allerdings die abgeknickte Turmspitze. Wegen des starken Windes konnte das acht Meter lange Teil zunächst nicht geborgen werden. Die Basilika wurde 1726 errichtet und gilt als Meisterwerk spätbarocker bayerischer Kirchenbaukunst. Auch in Vilsbiburg brach eine Kirchturmspitze ab.

Außerdem riss der Sturm auf einem Donaufrachter die Deckel von sechs Ladeluken in den Strom. Die quadratmetergroßen Teile konnten bislang nicht gefunden werden. Großes Glück hatten die Besucher einer Sporthalle in Landshut. Auf einer Fläche von 100 Quadratmetern wurde die innere Decke nach unten gedrückt. Verletzt wurde niemand, da sich die zehn Besucher in einem anderen Teil der Halle aufhielten. Im oberpfälzischen Wernberg-Köblitz stürzte ein Baum auf ein Polizeiauto. Die beiden Beamten blieben unverletzt.

In Nordbayern führte schwerer Regen mit bis zu 60 Litern pro Quadratmeter zu Überschwemmungen und Straßensperrungen. An der Fränkischen Saale, dem Oberen Main, der Pegnitz und dem Regen wurden die ersten Hochwassermeldestufen erreicht. In Hallerndorf (Kreis Forchheim) fiel ein Mann vom Dach seines Hauses vier Meter in die Tiefe, als er lose Dachziegel befestigen wollte. In Rattelsdorf (Kreis Bamberg) riss der Sturm ein Zirkuszelt um. Außerdem verwüstete er einen Biergarten und eine alte Mühle. Allein in Nürnberg zählte die Polizei 1500 Notrufe.

Unklar blieb hingegen, wie sehr "Emma" in den Wäldern gewütet hat. Besonders stark habe es das Fichtelgebirge, den Oberpfälzer Wald, den Bayerwald und die Bergwälder von Lindau bis Berchtesgaden getroffen, sagte Forstminister Josef Miller. An die Verwüstungen des Orkans "Kyrill" im Januar 2007 reichten die Schäden aber wohl nicht heran. Nun müssten die geknickten Bäume schnell beseitigt werden, um den Borkenkäfern kein Brutmaterial zu bieten.

© SZ vom 3. März 2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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