Oberschleißheim:Die Viren-Kammer

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Aus diesem Labor darf nichts nach außen dringen. Hinter Panzerglas hantieren Wissenschaftler des Landesamts für Gesundheit mit gefährlichen Erregern.

Dietrich Mittler

Sanft streicht Stefan Hörmansdorfer über das Panzerglas-Fenster. Sein Blick bleibt jedoch prüfend. Hinter den dicken Scheiben beginnt eine Welt, zu der nur wenige Menschen Zutritt haben. "Die Fenster und die Wände halten bei einem Brand 90 Minuten lang den Flammen stand, und das ist gut so. Aus diesem Labor darf nichts nach außen dringen", sagt Hörmansdorfer.

Im Landesamt für Gesundheit in Oberschleißheim gilt die höchste Sicherheitsstufe. Denn hier hantieren Wissenschaftlern mit besonders gefährlichen Viren. (Archivbild) (Foto: Foto: ddp)

Er ist Sachbereichsleiter für Bakteriologie im Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Oberschleißheim bei München. Das 110 Quadratmeter große Labor mit seinen fünf Räumen, das Hörmansdorfer und seine Kollegen nur über eine dreiteilige Sicherheitsschleuse betreten können, erfüllt die Anforderungen für die sogenannte Schutzstufe3 nach der Biostoff-Verordnung.

"Schutzstufe3" - kurz S3 - hört sich nicht sehr spektakulär an. "Wir experimentieren hier mit etwas gefährlicheren Erregern, die für die Beschäftigten ein Risiko darstellen können", sagt Hörmansdorfer. Auch das klingt wenig spektakulär, dabei spricht er gerade von Milzbrand- und Pesterregern, Tuberkulose-Bakterien und dem Vogelgrippe-Virus Influenza AH5N1.

Vor wenigen Tagen erst sind am Ismaninger Speichersee erneut zwei tote Stockenten gefunden worden. In beiden Tieren wurde eine auch für den Menschen gefährliche Variante des H5N1-Erregers festgestellt. Die Identifizierung des Virus gehört zu den Aufgaben von Antonia Neubauer. Sie ist in Oberschleißheim die Sachbereichsleiterin für Veterinärvirologie.

Wer Angst hat, macht Fehler

Sobald H5N1 im Spiel ist, müssen die weiteren Untersuchungen im S3-Labor stattfinden. Von Angst will Antonia Neubauer dabei nichts wissen. "Das ist unser Beruf, und man weiß, was man da macht", sagt sie. Nicht umsonst sei das S3-Labor-Team handverlesen.

Von mehr als 500 Mitarbeitern des Landesamtes am Standort Oberschleißheim haben weniger als 20 Zugang zu den fünf Räumen hinter Panzerglas. Alle zwölf Monate werden sie gesundheitlich überprüft, halbjährlich finden Schulungen statt. "Wir haben sehr dicke Betriebsanweisungen", sagt Hörmansdorfer.

"Wenn jemand Angst hätte, würden wir ihn aus dem Team rausnehmen, denn wer Angst hat, macht Fehler", betont Andreas Sing, der als Sachgebietsleiter Infektiologie die Verantwortung für alle Abläufe im Labor trägt.

Der Respekt vor den Erregern ist hoch. "Bei dem Untersuchungsmaterial müssen wir immer davon ausgehen, dass es gefährlich ist. Denn wenn was drin ist, sind wir die Ersten, die dran sind", sagt Hörmansdorfer. Schließlich ist das S3-Labor in Oberschleißheim nicht nur zuständig für die routinemäßige Tuberkulose-Diagnostik für ganz Bayern, sondern seit Oktober 2001 auch die zentrale Stelle, wenn Terroristen bei einem Anschlag Krankheitserreger als Biokampfstoff einsetzen. "Als der Milzbrand-Erreger in den USA auftauchte, ging es ganz schön rund bei uns", sagt Hörmansdorfer. Damals waren die Oberschleißheimer rund um die Uhr in Bereitschaft.

"Seitdem wurden von uns 1059 Einzelproben auf den Erreger des Milzbrandes untersucht", heißt es im Tätigkeitsbericht des Landesamtes. Auch während der Fußballweltmeisterschaft 2006 war das Team ständig abrufbereit. Zum Glück wurde der Erreger bisher in keiner Probe nachgewiesen.

Um Bakterien und Viren einwandfrei identifizieren zu können, werden die Erreger in Oberschleißheim auch gentechnisch untersucht. Das fällt in den Aufgabenbereich von Ulrich Busch, der den Sachbereich Molekularbiologie leitet. "Der Trick dabei ist, dass ich die Nadel im Heuhaufen so groß mache, dass sie unübersehbar ist", sagt er in einem so jovialen Tonfall, als sei Gentechnik das Leichteste auf der Welt und die Erreger, mit denen er es zu tun hat, im Grunde possierliche Tierchen.

Laborunfälle kommen zwar nur selten vor, doch auch in Oberschleißheim kreisen die Gespräche immer wieder um tragische Zwischenfälle. 1967 etwa erkrankten 32 Menschen in Hessen am sogenannten Marburg-Virus, das durch importierte Tiere nach Deutschland gebracht worden war. Es stammt primär aus Afrika und kommt in den Ländern Uganda, Kenia und vermutlich Zimbabwe vor. "Acht Menschen sind daran gestorben", erzählt Sing. Alle Infizierten hatten sehr hohes Fieber und bluteten aus den inneren Organen. "Wir werden dafür sorgen, dass es niemals ein Oberschleißheim-Virus geben wird", sagt Sing.

Neidische Blicke

Kürzlich erst sah sich sein Team mit einer brenzligen Situation konfrontiert. Eine Frau war von einer Ratte gebissen worden. "Einige Tage lang ging es bei ihr um Leben und Tod", erinnert sich Hörmansdorfer.

Die mit einem gefährlichen Erreger infizierten Ratten wurden in einem Käfig ins S3-Labor gebracht. Hörmansdorfer, der sie einschläfern sollte, musste höllisch aufpassen, nicht selbst gebissen zu werden. "Lebende Ratten, die hochinfektiös sind, sind etwas anderes als ein Tupfer, den ich untersuchen soll."

Ein fester blauer Kittel, Gummihandschuhe sowie ein Mundschutz sind bei den Untersuchungen Standard. Zudem wird das hochgefährliche Material nur in sogenannten Sicherheitsbänken untersucht. Das sind Kästen, bei denen ständig die Luft abgesaugt wird, damit keine Keime nach außen dringen können. Überhaupt wird im ganzen Laborbereich ein Unterdruck erzeugt, sodass verseuchte Luft nicht nach außen dringen kann.

Die Abluft wird über Hochleistungsschwebstoff-Filter gereinigt. Der Clou ist aber eine eigens für das Oberschleißheimer S3-Labor entwickelte Löschanlage, die im Brandfall mit dem Edelgas Argon die Flammen erstickt, ohne dabei den Innendruck zu erhöhen. "Neulich war die Bundeswehr zu Besuch bei uns, und wie ich festgestellt habe, waren die sogar ein bisschen neidisch", sagt Hörmansdorfer. Dabei strahlt er über das ganze Gesicht.

© SZ vom 8.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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