Nürnberger Zoo:Freibad in Gefahr

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Nürnbergs Zoo hat Stress mit seinen Delphinen: Todesfälle im Becken, protestierende Tierschützer und eine Kostenexlosion in der Lagune. Nun steht das Freilandbecken auf der Kippe.

Peter Schmitt

Wie der Zooalltag an solchen Tagen beginnt, weiß Direktor Dag Encke inzwischen. Besucher des Nürnberger Tiergartens empfängt auf dem Pflaster vor dem Eingang ein Dutzende Meter langes schwarzes Trauerband mit den Namen einer wachsenden Anzahl Delphine, die angeblich oder tatsächlich in dem städtischen Zoo bisher ihr Leben ließen.

Delphine: Posierliche Tierchen, aber leider sehr empfindlich. (Foto: Foto: DPA-SZ)

Dem folgt eine Parade aufblasbarer Plastikdelphine und schließlich bitten Tierrechtsgruppen die Passanten um ihre Unterschrift für die Schließung des Delphinariums. Sich wiederholendes Prozedere immer dann, wenn es in den Becken bei den Großen Tümmlern zu einem tödlichen Krankheitsverlauf oder Unfall gekommen ist.

Als Encke und ein ganzer Stab von Tierärzten, Verhaltensbiologen und Pflegern kürzlich vor den Medien nach Erklärungen für das Ableben eines gesund zur Welt gekommenen drei Tage alten Delphinkalbs am Wochenende suchten, war das nicht anders.

Der Druck auf den Tiergarten hat sich verstärkt. Dennoch stehen die großen Rathausparteien CSU und SPD weiter einheitlich hinter der vor dreieinhalb Jahrzehnten begonnenen Delphinhaltung. Nur die Grünen wiederholten ihren Standpunkt, eine artgerechte Haltung der Meeressäuger in dem städtischen Zoo sei auf Dauer nicht möglich. Ohne aber wie früher die Schließung der Station zu verlangen.

Das kann sich rasch ändern. Am Mittwoch muss sich der Stadtrat mit dem Komplex noch aus einem anderen Grund befassen. Nur wenige Tage nach dem Wirbel um das tote Delphinkalb wurde eine Kostenexplosion bei der Kalkulation für ein mit Meerwasser gefülltes Freilandbecken bekannt.

Die Lagune soll nach neuesten Berechnungen statt der bisher veranschlagten 10,3 Millionen Euro fast sieben Millionen Euro mehr kosten. CSU und SPD wollen trotzdem daran festhalten. Die Freianlage soll die Lebensbedingungen der Meeressäuger erheblich verbessern.

Die Tatsache, dass neugeborene Delphine in Nürnberg bislang nur in einigen Fällen überlebten, aber zuletzt sechs Kälber kurz nach der Geburt starben, ließ Encke nachdenklich werden.

Sollte die Nachzucht in europäischen Delphinstationen auf Dauer nicht gelingen, wäre eine Schlussfolgerung, die Haltung der Tümmler wegen des ausbleibenden Nachwuchses zu einem späteren Zeitpunkt aufzugeben, räumte er ein. Wegen der langen Lebensdauer der gesunden Alttiere sei ein Verwaisen der Becken aber selbst für diesen Fall erst in zwanzig oder dreißig Jahren zu erwarten, meinte Encke.

Die aktuelle Konsequenz ist eine andere. Die sechs Todesfälle sollen im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie vom Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin auf ihre Ursachen untersucht werden. Nachdem auch in anderen europäischen Delphinarien öfter junge Tümmler starben, hofft Encke auf eine Zusammenarbeit.

Bisher konnten Veterinäre und Tierpathologen keinerlei Systematik hinter den Todesfällen bei dem Neugeborenen erkennen. Ein Indiz ist immerhin, dass es mit zwei Ausnahmen Erstgeburten waren, die nur kurze Zeit überlebten.

Studien aus der freien Wildbahn gehen davon aus, dass in den Meeren sogar nur jedes zwanzigste Kalb einer erstmals gebärenden Delphinmutter längere Zeit überlebt. Die Nürnberger Todesrate wäre demnach keineswegs auffällig.

Fehler beim Tiermanagement und der Gesundheitsvorsorge schloss Encke aus. Ein Verdachtsmoment für die Säuglingssterblichkeit richtet sich gegen ein bislang nicht gefundenes Virus, das zwar von den Alttieren vertragen wird, junge Delphinen aber womöglich tödlich schwächt.

© SZ vom 19.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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