Nürnberg:Staatsregierung will Ärzteprotest vereiteln

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Während Mediziner die kollektive Rückgabe ihrer Kassenzulassungen planen werden Notare vor Annahme von Austrittserklärungen gewarnt. Die Aktion könnte illegal sein.

Dietrich Mittler

Die Staatsregierung hat offenbar Druck ausgeübt, um den geplanten Ausstieg der bayerischen Hausärzte aus dem System der gesetzlichen Krankenkassen zu verhindern. Notare wurden vom Justizministerium darauf hingewiesen, dass sie keine Austrittserklärungen entgegennehmen dürfen, da die Aktion der Ärzte gegen geltendes Sozialrecht verstoße.

Demo in Nürnberg: Bayerische Ärzte haben genug vom Gesundheitssystem und wollen aus Protest ihre Kassenzulassung zurückgeben. (Foto: Foto: dpa)

Der Protest der Mediziner ist der vorläufige Höhepunkt eines Streits um Bürokratie, Bezahlung und Betreuung von Patienten zwischen den bayerischen Hausärzten, der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) sowie den Krankenkassen. In anderen Bundesländern beobachten viele Hausärzte aufmerksam, was sich in Bayern abspielt, denn die Kritik ist bundesweit ähnlich.

Die Patienten vieler Hausarztpraxen in Bayern werden am heutigen Mittwoch vor verschlossenen Türen stehen. Ihre Ärzte wollen sich bei einer Protestversammlung in Nürnberg zur kollektiven Rückgabe ihrer Kassenzulassungen verpflichten. Machen sie diese Drohung wahr, entsteht womöglich ein Abrechnungschaos.

Die Staatsregierung steht der Aktion ablehnend gegenüber. Ein Sprecher des Justizministeriums bestätigte gestern, dass sein Haus bereits vergangene Woche "dienstrechtliche Bedenken" vorgebracht habe: Der vom Bayerischen Hausärzteverband beauftragte Notar verstoße nach Paragraph14 der Bundesnotarordnung gegen seine Amtspflicht, wenn er an Handlungen mitwirke, "die erkennbar unerlaubt sind". Und der geplante kollektive Systemausstieg sei ganz klar ein Verstoß gegen geltendes Sozialrecht.

Bedenken des Hausärzteverbandes

Zu Wochenbeginn forderte das Justizministerium die Landesnotarkammer auf, allen Notaren in Bayern diese Rechtsauffassung kundzutun - also auch jenem des Bayerischen Hausärzteverbandes. Der hält die ministeriellen Darlegungen zwar "nicht für zwingend", doch der Hausärzteverband selbst bekam Bedenken. "Offensichtlich war es der Plan, dass der Notar unsere Austrittserklärungen noch einsammeln kann, sie dann aber unter Verschluss halten muss", mutmaßt Wolfgang Hoppenthaller, der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes.

Um einem solchen möglichen Schachzug zu entgehen, wurde nun ein Rechtsanwalt aus Kiel damit beauftragt, den Systemausstieg der bayerischen Hausärzte zu begleiten.

"Das zeigt doch ganz klar, mit welchen Mitteln hier in Bayern gearbeitet wird", sagt Hoppenthaller.Die Intervention des Justizministeriums sei ein weiterer verzweifelter Versuch, den Ausbruch der Hausärzte aus einem "perversen Unterdrückungssystem" zu unterbinden. "Man rollt uns alle möglichen Steine in den Weg, aber wir sind stark genug, sie auch wieder wegzuräumen", betonte Hoppenthaller gestern in einem Rundschreiben an mehr als 6000 bayerische Hausärzte.

Aus der Staatskanzlei hieß es indessen, das Vorgehen des Justizministeriums sei alles andere als verwerflich: "Hier wurde nicht Druck ausgeübt, sondern hier wurde ein Notar, der sich womöglich ins Unrecht gesetzt hätte, vor Schaden bewahrt", sagte ein Sprecher. Dies geschah allerdings, wie der Sprecher des Justizministeriums durchblicken ließ, erst auf einen Fingerzeig des Sozialministeriums hin. Dieses wiederum übt die Rechtsaufsicht über die Krankenkassen, die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns und damit letztlich über die Kassenärzte im Freistaat aus.

Bei seinem Vorstoß im Justizministerium verwies das Sozialministerium auf den Paragraphen 95 SGB V, in dem es heißt: "Mit den Pflichten eines Vertragsarztes ist es nicht vereinbar, in einem mit anderen Ärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf die Zulassung als Vertragsarzt zu verzichten." Durch das Justizministerium sei letztlich verhindert worden, dass ein Notar "sehenden Auges ins Unrecht rennt".

© SZ vom 30.01.2008/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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