Neue Landesstelle für Glücksspielsucht:Kassieren und therapieren

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Suchttherapie vom Dealer? Der Freistaat Bayern eröffnet eine Einrichtung gegen Glücksspielsucht - es geht um viel Geld, aber auch um Hoffnung für Abhängige.

Dietrich Mittler

Benno Ebach aus Rosenheim (Name geändert) weiß sich nicht mehr zu helfen. Auf einer Internetseite für Spielsüchtige schildert er seine verfahrene Situation: 8000 Euro habe er beim Kartenspiel Black Jack und beim Roulette verloren. Für diesen Monat habe er kein Geld mehr. Es gewinne immer nur die Spielbank. Die wiederum betreibt der Freistaat Bayern.

Kasinobesucher beim Black-Jack (Foto: Foto: dpa)

Am Montag eröffnete Gesundheitsminister Otmar Bernhard in München eine neue Landesstelle Glücksspielsucht, in der künftig die Hilfe für Leute wie Benno Ebach koordiniert werden soll.

Ein allein aus edler Gesinnung gegründetes Projekt, wie man zunächst meinen möchte: Immerhin sind 0,2 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland glücksspielsüchtig. Diesen Menschen müsse "aus dem Strudel von seelischen, familiären und finanziellen Nöten" herausgeholfen werden, sagte Bernhard. Die neue Landesstelle solle die Ursachen der Sucht erforschen und Therapien dagegen entwickeln, die Öffentlichkeit auf die Gefahren aufmerksam machen sowie ein flächendeckendes Hilfsangebot bereitstellen.

Bernhard machte in seiner Eröffnungsrede allerdings auch keinen Hehl daraus, dass es sich bei der neuen Landesstelle letztlich um ein Produkt höchstrichterlicher Anweisungen handelt. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2006 klargestellt, dass das staatliche Spielbankenmonopol nur dann gerechtfertigt sei, wenn der Staat den negativen Folgen der Glücksspielsucht entgegenwirke.

Es geht also um sehr viel Geld. Allein im Jahr 2007 betrug die Spielbankabgabe an den Freistaat Bayern - vergleichbar einer Steuereinnahme - mehr als 44 Millionen Euro. Die Gewinnablieferung belief sich nach Angaben des Finanzministeriums auf zehn Millionen Euro. Hinzu kamen die Erträge der Staatlichen Lotterieverwaltung: mehr als 198 Millionen Euro Lotteriesteuer und nahezu 240 Millionen Euro Gewinnablieferung.

Mit Einnahmen in dieser Größenordnung kann der Freistaat nun auch weiterhin rechnen. Er hat sich mit den anderen Bundesländern auf einen Glücksspielstaatsvertrag geeinigt, der die Suchtprävention zur Vorgabe macht und ein flächendeckendes Hilfsangebot vorschreibt, zugleich aber auch das Monopol gegen die Gelüste privater Glücksspiel-Anbieter absichert.

Dass damit - hart formuliert - der Dealer gleichermaßen die Suchttherapie übernimmt, weist Otmar Bernhard weit von sich. Aber auch die Träger der Suchthilfe, wie etwa die Caritas, verteidigen das neue Projekt: "Ein solcher Vorwurf ist Unfug", sagt Hilde Rainer-Münch, die Suchthilfereferentin des Landes-Caritasverbandes. Glücksspiele an sich seien meist nichts Verbotenes, nicht vergleichbar mit Drogen. Folglich sei die Einrichtung der neuen Landesstelle einfach nur "eine tolle Sache" - auch deshalb, weil der Staat den Suchthilfeträgern jetzt landesweit 20 zusätzliche halbe Stellen finanzieren will.

An der Basis, also in den einzelnen Suchtberatungsstellen in Bayern, weckt die neue Landesstelle ebenfalls Hoffnungen: Bislang würden sich Spielsüchtige erst dann offenbaren, wenn sie völlig am Ende sind. "Wir müssen schlicht mehr Beratungsmöglichkeiten schaffen und mehr Aufklärung über die Folgen der Spielsucht bieten", sagte Ilse Bieniek, die Leiterin einer Schweinfurter Beratungsstelle.

© SZ vom 01.07.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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