Millionendiebstahl:"Das wird etwas Größeres"

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Ein Jahr, zwei Monate und drei Tage war der Millionendieb Sven Kittelmann erfolgreich verschwunden. Die Polizei hatte keine Spur. Bis gestern. Wie Kittelmann den Schleierfahndern ins Netz ging.

Kathrin Haimerl

Es war reiner Zufall. Polizeihauptkommissar Germar Forst und sein Kollege von der Polizeidirektion Hof kontrollierten im Rahmen ihrer Schleierfahndung einmal die Woche eine Zugstrecke. Gestern entschieden sie sich für den Regionalexpress von Nürnberg nach Dresden. Sie stiegen in ein Abteil der zweiten Klasse ein - in das, in dem Sven Kittelmann saß.

Kittelmann vor einem Jahr (links) und heute nach der Festnahme. (Foto: Foto: ddp)

Der 32-Jährige wurde als Millionendieb bekannt. Am 20. Januar 2007 trickste der Geldbote seinen Begleiter aus und verschwand mit einer Beute von insgesamt 3,6 Millionen Euro. Ein Jahr, zwei Monate und drei Tage tauchte er erfolgreich unter.

Sven Kittelmann sieht nicht aus wie einer, der fast vier Millionen Euro besitzt. Zerzauste Haare, fahl im Gesicht, fast ein bisschen verwahrlost - so zeigen ihn die aktuellen Bilder.

Gestern im Zug trägt er eine schwarze Baseballmütze, eine braune Stoffjacke, Jeans. Er schaut aus dem Fenster, als die Beamten einsteigen. Germar Forst selektiert einzelne Gäste für die "verdachtsunabhängige Kontrolle": "Wir wählen natürlich nicht den 15-jährigen Schulbuben oder einen unauffälligen Rentner aus. Alter und Aussehen sind schon entscheidend."

Sie kontrollieren zunächst einen anderen Fahrgast. Sven Kittelmann bleibt weiterhin ruhig sitzen, schaut aus dem Fenster. Dann bittet Germar Forst den 32-Jährigen um die Personalien. Der zeigt seinen Personalausweis - den echten. "Haben Sie schon einmal etwas mit der Polizei zu tun gehabt", fragt der Beamte. Kittelmann verneint. Forst klärt per Handy die Daten ab. Man sagt ihm: "Das wird etwas Größeres."

Die Festnahme lässt Sven Kittelmann einfach so geschehen. Die Beamten durchsuchen seinen Rucksack, sie finden Kleidungsstücke - und Geldscheine im Wert zwischen 10.000 und 20.000 Euro. Die Scheine sind in Plastik verpackt. Als Germar Forst ihn mit den Vorwürfen konfrontiert, räumt er den Diebstahl ein. Mehr aber sagt er nicht dazu. Die eineinviertel Stunden bis nach Hof liest er schweigend neben den Beamten Zeitung.

"Er war völlig relaxt", beschreibt Germar Forst auf der Pressekonferenz der Polizeidirektion Fürstenfeldbruck seinen Eindruck des 32-Jährigen. "Er scheint eine sehr ruhige Person zu sein, er hat alles über sich ergehen lassen."

Wo ist die Beute?

Kittelmann ist festgenommen, bislang schweigt er weiter. Wo genau er sich in den letzten 15 Monaten aufgehalten hat, bleibt unklar. Was am 20. Januar 2007 passierte, weiß die Polizei hingegen ziemlich genau: Kittelmann fuhr gemeinsam mit einem Begleiter einen Geldtransport. Auf dem Parkplatz an der Anschlusstelle Sulzemoos im Landkreis Dachau bat er seinen Begleiter um dessen Handy und darum, den Müll wegzubringen. Als der Beifahrer weg war, gab Kittelmann Gas. In der Nähe stand ein gemieteter Kombi bereit. Und ab da können die Beamten der Soko "Sven", die die Polizeidirektion Fürstenfeldbruck eingesetzt hat, die Flucht nur noch bruchstückhaft nachvollziehen.

Zunächst sei Kittelmann nach Marseille geflohen. Dort fanden die Beamten seinen Fluchtwagen im Bereich des Fährhafens. Sie konnten außerdem feststellen, dass Kittelmann bereits am 22. Januar, also zwei Tage nach der Tat, auf eine Fähre in Richtung Algerien eingecheckt hatte. In Algier wurde er allerdings mangels Visum wieder abgewiesen. Die Fähre ging weiter nach Alicante.

Kittelmann verbrachte wohl längere Zeit in Spanien. Einmal soll er in die Dominikanische Republik geflogen sein. Nach der Zeit in Spanien habe er sich nach Tschechien abgesetzt. In Deutschland sei er wohl nicht das erste Mal seit seiner Tat gewesen: Schon einmal habe er hier einen Arzt besucht.

Viele Fragen bleiben offen. Der aus Thüringen stammende Kittelmann befand sich gestern den Beamten zufolge auf der Rückfahrt von Karlsruhe nach Zwickau. Das belegt eine Reservierung - allerdings für zwei Plätze. Für wen war der zweite Platz? Warum ist Kittelmann nach Deutschland zurückgekommen? Wie konnte Kittelmann ohne gefälschte Papiere den Schengenraum verlassen und in die Dominikanische Republik fliegen?

Und die wohl wichtigste Frage: Wo ist die Beute geblieben?

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