Milchpolitik:Der Mann, dem man nicht traut

Lesezeit: 3 min

"Ich schau mir das nicht länger an": Immer mehr Bauern vermissen in der Milchpolitik den Einsatz von Bauernpräsident Gerd Sonnleitner.

Christian Sebald

Hans Fuchs ist keiner, der schnell aufgibt. "Immer war meine Familie im Bauernverband", sagt der 40-jährige Milchbauer aus Oberndorf bei Ebersberg. "Und es war immer Ehrensache für mich, dass ich mich für meinen Berufsstand engagiert habe." Acht Jahre lang ist Fuchs Ortsobmann des Bauernverbands, drei Jahre stellvertretender Kreisobmann.

Der Druck auf ihn nimmt gewaltig zu: Bauernpräsident Gerd Sonnleitner (Foto: Foto: dpa)

Fuchs hat die Verbandsarbeit stets ernst genommen. Nicht nur, dass er unzählige Abende in Versammlungen verbracht hat. Er hat sich eingemischt in die Debatte um die Milchpolitik, bei sich daheim und im Generalsekretariat seines Verbands in München, wo er mit dem Bauernpräsidenten Gerd Sonnleitner über die richtige Milchpolitik gestritten hat. Fuchs hat Demonstrationen und Kundgebungen organisiert.

"Sonnleitner tritt zurück oder ich trete aus."

Und er hat immer gehofft, dass der Bauernverband ihn und seine Mitstreiter erhört und für eine Regulierung des Milchmarktes kämpft. "Wir sind doch die Basis", sagt er. "Was ist das für ein Berufsverband, der nicht tut, was die Basis fordert?" Nun reicht es Fuchs. "Ich schau' mir nicht länger an, wie unser Präsident blockiert", sagt er. "Entweder Sonnleitner tritt zurück oder ich trete aus."

Unter den bayerischen Milchbauern ist Bauernpräsident Gerd Sonnleitner seit langem höchst umstritten. Sie werfen ihm vor, dass sein Spagat zwischen seinen Ämtern als bayerischer und deutscher Bauernpräsident zu Lasten der kleinen und mittleren Familienbetriebe im Süden geht. Nun nimmt der Druck auf Sonnleitner gewaltig zu.

Aus Verärgerung ist vielerorts blanke Wut geworden. Ein Grund dafür ist ein SZ-Interview, das Sonnleitner zu dem Hungerstreik der Milchbäuerinnen vor dem Kanzleramt gegeben hat. Darin hatte Sonnleitner gesagt, "solche Aktionen sind nicht Stil des Bauernverbands" und "einige Milchbauern sehen in mir einen Feind". Außerdem bezeichnete er eine Steuerung der Milchproduktion, wie sie die meisten Bauern fordern, "als völlig unrealistisch". Dafür gebe es in der EU keine Mehrheit.

"Auf den Höfen brennt's"

Nun kann man trefflich streiten, wer Recht hat. Tatsache ist, dass Sonnleitners Äußerungen viele Bauern massiv aufgebracht haben. "Denn es waren unsere Frauen, die da in Berlin gestanden sind und nicht von Merkel erhört wurden", sagt ein Ortsobmann, "die treten nicht einfach so in Hungerstreik, bei uns auf den Höfen brennt's, nur hat unser Bauernpräsident anscheinend immer noch nichts kapiert."

Der andere Grund für die Zuspitzung ist, dass auch die CSU immer deutlicher auf Distanz zu Sonnleitner und dem Bauernverband geht. Das hat nicht nur damit zu tun, dass Bayerns Agrarminister Helmut Brunner den Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), den schärfsten Konkurrenten des Bauernverbands in der Milchpolitik, als kompetenten Gesprächspartner entdeckt hat und ernst nimmt. Das hat vor allem damit zu tun, dass Brunners Milchpolitik nicht mehr die des Bauernverbands ist.

Auf in den Kampf

So fordert der Agrarminister - inzwischen ausdrücklich mit der Rückendeckung durch Ministerpräsident Horst Seehofer - eine drastische Kürzung der Milchproduktion in Europa, auf dass sich der Milchpreis zumindest auf niedrigem Niveau stabilisieren kann. Sonnleitner hält auch das für nicht durchsetzbar, wenn nicht gleich abwegig. Das Problem für den Bauernpräsidenten ist nur, dass nicht seine Einschätzung von den Bauern geteilt wird, sondern Brunners Forderung. Inzwischen glauben immer mehr Landwirte, dass die Forderungen des Agrarministers nicht nur Wahlversprechen sind. Sondern, dass es Brunner ernst meint - wenngleich er bis jetzt unter den Länderagrarministern auf verlorenem Posten kämpft. "Aber das darf einen doch nicht hindern, weiter zu kämpfen", sagt ein anderer Ortsobmann. "Und einen Bauernpräsidenten, der seine Basis vertreten will, schon gar nicht."

Deshalb wird Hans Fuchs sicher nicht der einzige Ortsobmann des Bauernverbands bleiben, der den Verband verlässt. Fuchs gehört zum Irschenberger Kreis. In der informellen Runde haben sich schon vor eineinhalb Jahren an die 60 Ortsobleute des Bauernverbands zusammengeschlossen, die mit der Politik ihrer Führung nicht mehr einverstanden waren.

"Wir bekommen es doch jeden Tag zu spüren, dass uns die eigenen Bauern nicht mehr ernst nehmen", sagt Fuchs. "Wenn ich zu einer Versammlung einlade, dann kommt doch kaum noch einer, und die paar, die da sind, die wollen nichts vom Verband hören." Wie ein Lauffeuer habe die Kunde von "Sonnleitners unsäglichen Äußerungen in dem Interview" die Runde gemacht, sagt ein anderer Ortsobmann. "Mich hat sogar unser Pfarrer gefragt, ob uns jetzt wirklich unser eigener Bauernpräsident in den Rücken fällt." Die unruhigen Zeiten für Gerd Sonnleitner und den Bauernverband fangen womöglich erst an.

© SZ vom 23.05.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: