Literarischer Polizeibericht:Kuh Nr. 638

Hätten Kühe lieber Namen als Nummern? (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Eine Kuh aus dem Landkreis Altötting stößt den Jungbauern hinterrücks zu Boden und bricht ihm dabei den Arm. Warum diese niederträchtige Aggressivität des Rindviehs? Der Schreiber des Polizeiberichts hat eine außergewöhnliche Erklärung.

Bayerns kreativste Autoren sitzen weder in Redaktionsstuben noch irgendwo im stillen Dichterkämmerlein, sondern oftmals in den Polizeidienststellen allüberall im Land. Beweise gefällig? Hier eine Pressemeldung der Polizeiinspektion Altötting im Wortlaut:

"Dem Schreiber dieses Polizeiberichts ist noch aus seiner Jugend Mitte der sechziger Jahre geläufig, dass damals landwirtschaftliches Großvieh weiland im Besitz eines veritablen Eigennamens war. So kann er sich erinnern, dass am Burghauser Bergerhof beispielsweise an eine Milchkuh der Platzwechsel im Stall mit den freundlichen Worten "Flora, steh um!" - akzentuiert mit leichtem Ellenbogendruck in die Seite - erfolgreich adressiert werden konnte.

Auch ist uns allen noch das freiheitsliebende Nutztier geläufig, das im Nachbarlandkreis seine bovine Individualität ausleben wollte und dazu, mit dem wohlklingenden und medienwirksamen Vornamen "Yvonne" - wahlweise auch "Angie" oder "Bambi" - versehen, über Monate in die Wälder, Flure und Auen nahe Zangberg entsprang.

Gänzlich anders verhielt sich am gestrigen Abend eine Kuh im nördlichen Landkreis Altötting. Vielleicht war es ihre Verstimmung ob der Reduktion ihrer Rindspersönlichkeit auf die technokratische "Nr. 638" geschuldet, die sie bewog, den sie fütternden Jungbauern anzurempeln. Als dieser diesen eventuell stummen Hinweis auf die eigene Namenlosigkeit auch noch durch Zudrehen des Rückens quittierte, stieß sie ihn hinterrücks vollends zu Boden.

Dabei ging nicht nur die geschäftsmäßige Beziehung zwischen Tier und Eigentümer, sondern auch der linke Oberarm des Landwirtes zu Bruch, der sich nach dem Angriff nur noch aus dem Stall retten konnte."

Dem ist nichts hinzuzufügen

© SZ vom 23.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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