Kultusminister Schneider zum Gymnasium:"Wir wollen den Stoff reduzieren"

Lesezeit: 3 min

Stofffülle und dichte Stundenpläne haben das achtjährige Gymnasium (G8) in die Kritik gebracht. Bayerns Kultusminister Siegfried Schneider sagt im Interview mit der Süddeutschen Zeitung erstmals, was sich ändern soll. An diesem Montag wird er darüber mit bayerischen Elternbeiräten diskutieren, am 8. April soll das Kabinett entscheiden.

Christine Burtscheidt

SZ: Sie haben vergangene Woche dem Ministerpräsidenten Günther Beckstein Ihr G8-Reformkonzept vorgestellt. Unterstützt er Sie?

Will den Unterrichtsstoff reduzieren: Bayerns Kultusminister Siegfried Schneider (Foto: Foto: AP)

Siegfried Schneider: Mein Konzept ist auf große Zustimmung gestoßen.

SZ: Was schlagen Sie darin vor?

Schneider: Wir wollen den Stoff nochmals reduzieren, Kürzungen an der verpflichtenden Unterrichtszeit vornehmen sowie die Eigenverantwortung der Schulen in organisatorischen Fragen stärken, um Eltern, Schüler und Lehrer noch mehr in Entscheidungen einzubinden.

"Mehr Üben und Vertiefen"

SZ: Wo wird Stoff reduziert?

Schneider: In den meisten Fächern in allen Jahrgangsstufen wurde der Lehrplan nochmals mit dem Ziel überarbeitet, Detailwissen und Doppelungen zu vermeiden. Außerdem haben wir alles aus dem Lehrplan herausgenommen, was bereits jetzt nur fakultativ oder ergänzend vorgesehen war. Letztlich will ich, dass zwei Drittel der zur Verfügung stehenden Unterrichtszeit zur Stoffvermittlung ausreichen, und der Rest zum Üben und Vertiefen genutzt wird.

SZ: In den Lernfächern sollte umfangreicher gekürzt werden, blieb es dabei?

Schneider: Der Vorschlag sieht spürbare Kürzungen etwa bei Geschichte, Biologie, Physik und Geographie vor - bis zu einem Neuntel des Stoffs im Vergleich zum G9. Das entspricht in etwa der Unterrichtszeitverkürzung vom G9 auf das G8. Von einzelnen Fachvertretern werden die Kürzungen möglicherweise unterschiedlich bewertet. Deshalb werde ich den neuen Lehrplan zusätzlich von einer unabhängigen Stelle prüfen lassen, dem Institut für Qualitätsentwicklung in Berlin, das auch die bundesweiten Standards formuliert. Der Lehrplan soll dann zum nächsten Schuljahr in Kraft treten.

SZ: Wie stark werden Sie an die Stundentafel herangehen? Da die Kultusministerkonferenz (KMK) die wöchentliche Unterrichtspflichtzeit von der fünften bis zur zwölften Jahrgangsstufe auf 260 Jahreswochenstunden kürzte, haben Sie einen Spielraum von sechs Stunden.

S chneider: Ich werde die Möglichkeit nutzen, die der KMK-Beschluss eröffnet hat. Es wird einen klaren gesetzlichen Rahmen geben, wonach für die Schüler künftig 260 Wochenstunden über die acht Jahre hin verpflichtend sind. Zusätzliche Stunden bleiben ein freiwilliges Angebot. Es wird in die Verantwortung der einzelnen Schule gegeben, es mit allen Beteiligten abzustimmen.

SZ: Sind nun die Intensivierungsstunden zur individuellen Förderung nur noch ein freiwilliges Angebot?

Schneider: Es müssen laut KMK 260 verpflichtende Jahreswochenstunden fachlich zugeordnet sein. Darin können auch Vertiefungs- und Projektstunden enthalten sein; weitere Intensivierungsstunden sollen die Schulen künftig als freiwilliges Angebot machen können.

SZ: Dass die Intensivierungsstunden zur Spielmasse werden, wird die Eltern nicht erfreuen.

Schneider: Alle Lehrerstunden bleiben für die Schulen erhalten. Ob und wie sie genutzt werden, darüber entscheidet die Schule im Einvernehmen mit dem Schulforum, also mit Eltern, Lehrern und Schülern. Ich bin in dieser Frage mit der Landes-Elternvereinigung, dem Philologenverband und der Direktorenvereinigung in einem intensiven Dialog.

SZ: Sie haben selbst davor gewarnt, Stundenkürzungen vorzunehmen, um das Anforderungsniveau des bayerischen Gymnasiums nicht zu gefährden. Wie kommt es nun zu dem Wandel?

Schneider: Ich habe immer gesagt, dass ich wenig Spielraum zur Kürzung von Fachstunden sehe. Hier müssen wir das Niveau halten, das bundesweite Standards vorgeben und unseren Schülern auch die Studierfähigkeit verleiht.

SZ: Mit 260 Jahreswochenstunden liegen Sie nun acht Stunden unter der Unterrichtspflichtzeit von Sachsen.

Schneider: Das stimmt, aber auch in den Intensivierungsstunden wird gearbeitet. Mir ging es um eine Grundsatzentscheidung: Weniger Details, mehr Grundwissen und Methodenkompetenz. Und Kompetenzen können Schüler auch gut in eigenen Vertiefungsstunden erlangen.

SZ: Haben Sie denn keine Bedenken?

Schneider: Mit 260 Stunden Fachunterricht werden die bayerischen Schüler auch in Zukunft sehr gute Ergebnisse erzielen können.

SZ: Wird damit aber auch der Philologenverband zu beruhigen sein?

Schneider: Mein Ziel ist, ein Konzept vorzulegen, das möglicherweise nicht jeder Vorstellung voll entspricht, aber von allen mitgetragen werden kann.

Reden über ein Südabitur

SZ: Sieht Ihr Konzept nun auch ein zentrales Südabitur mit Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen vor?

Schneider: Es wird demnächst mit den Länderkollegen ein Gespräch geben. Ich bin überzeugt, dass gemeinsame oder vergleichbare Aufgaben in zentralen Fächern wie Deutsch und Mathematik dazu beitragen können, ein qualitätsvolles und vergleichbares Abitur zu sichern.

SZ: Sie wollen die Klassenstärken weiter senken. Wird auch Ihr Haus von frei gewordenen Mitteln aus dem gescheiterten Transrapid-Projekt profitieren?

Schneider: Mein Ziel ist, die maximale Klassenstärke an den weiterführenden Schulen in den nächsten fünf Jahren auf 30 Schüler und an den Grundschulen auf 25 Schüler zu begrenzen. Zudem will ich den Ausbau der Ganztagsschulen beschleunigen. Dazu sind die ersten Beschlüsse zum Nachtragshaushalt bereits gefallen, unabhängig vom Transrapid. Ministerpräsident Beckstein und Finanzminister Erwin Huber unterstützen mich in den zwei Kernanliegen.

© SZ vom 31.03.2008/jja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: