Kuh mit sechs Beinen:Nach OP geht es Kalb Lissy gut

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Bayerns glücklichstes Rindvieh: Das missgebildete Tier wurde erfolgreich operiert und kommt nun auf einen Gnadenhof.

Marc Felix Serrao

Lissy geht es gut! Diese erfreuliche Botschaft konnte nun Reinhild Krametter-Frötscher, Ärztin an der Klinik für Wiederkäuer der Veterinärmedizinischen Universität Wien, verkünden. Zusammen mit einem Kollegen hat sie dem Kalb in einer zweieinhalbstündigen Operation Anfang der Woche zwei missgebildete Beine amputiert. Lissy muss künftig aber nicht auf zwei Klauen über die Weide stolpern. Im Gegenteil: Das Tier kann sich endlich normal bewegen.

Das sechsbeinige Kalb Lissy. Bei einer OP wurden zwei Beine amputiert. (Foto: Foto: Reuters)

Denn Lissy war am 10. Oktober 2007 im niederbayerischen Hebertsfelden mit sechs Beinen zur Welt gekommen. Eine extrem seltene Missbildung: Vermutlich war ein Zwillingsembryo mit Lissy verschmolzen. Tierärztin Krametter-Frötscher sagt, sie sei froh, dass die Missbildung nicht knöchern verwachsen gewesen sei und daher relativ problemlos amputiert werden konnte. Abgesehen von einer 30 Zentimeter langen Narbe werde Lissy wohl bald ein normales Leben führen können.

Das Kalb hatte schon früh Glück. Normalerweise sind behinderte Nutztiere dem Tod geweiht. Doch erst verguckte sich Franziska, die vierjährige Tochter von Bauer Alfons Suttner, in das Tier. Dann hörte der ehemalige Tourismusmanager und heutige Tierschützer Michael Aufhauser dessen Geschichte. Der 55-Jährige, der in Österreich und Bayern Gnadenhöfe für inzwischen mehr als 1000 Tiere führt, fuhr nach Hebertsfelden, wo er Lissy nach eigenem Bekunden "gleich ins Herz schloss".

Bauer Suttner wollte sein sechsbeiniges Tier erst behalten, der Tochter zuliebe. Dann entschied er aber doch, es Aufhauser zu geben. Der Tierschützer zahlte die Amputation und versprach dem Landwirt, Lissy bis zu ihrem - natürlichen - Lebensende zu versorgen.

"Schöne Wimpern"

Mitte April wird das Tier auf seinem Gut Aiderbichl bei Salzburg erwartet. Allein für die OP könnte sich Aufhauser vermutlich ein paar hundert Kalbsschnitzel kaufen. "Drei Stunden mal zwei Operateure, plus Arzthelferin", rechnet er vor. Doch die Rechnung dürfte aufgehen. Aiderbichl lockt schon ohne Lissy jedes Jahr über 200.000 zahlende Besucher an. Für Erwachsene kostet der Eintritt neun, für Kinder 4,50 Euro.

Lissys Rettung, sagt Aufhauser, habe für ihn auch "einen großen symbolischen Wert". Das Schicksal des Kalbs könne helfen, Besucher zu anzuregen, über ihren Umgang mit Tieren nachzudenken. Da Rinder keine Gesichtsmuskeln haben, könnten Menschen nur über deren Augen "eine Brücke" zu ihnen finden.

"Lissy hat diesen Ausdruck", sagt Aufhauser. "Außerdem hat sie sehr schöne Wimpern." Und was macht die braun-weiße Schönheit, bis sie in Aiderbichl über die Weide rennen kann? Tierärztin Reinhild Krametter-Frötscher sagt, dass ihre "Patientin" brav fresse, andere Rinder sehen und hören könne und täglich spazieren geführt werde. "Die ist hier schon der Liebling unserer Studenten."

© SZ vom 03.04.2008/sg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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