Kriminalität:Der gläserne Bankkunde

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Wer mit der Karte Geld abhebt, ist es schnell los: Rumänische Banden haben die PIN im Visier.

Katja Riedel und Manfred Hummel

Der Angriff dauert gerade einmal eine Minute. Soeben hat die Bankfiliale geschlossen, da betritt der junge Mann das Foyer. Er blickt in die Überwachungskamera an der Decke, gleich über dem Geldautomaten.

Am Geldautomaten werden Kunden viel häufiger zum Opfer als beim Online-Banking. (Foto: Foto: dpa)

Dann holt er etwas aus seiner Tasche, setzt einen Aufsatz auf den Kartenschlitz. Als er geht, kommt ein Komplize, zieht eine dünne Metallplatte unter der Jacke hervor - die exakte Kopie der Tastatur.

Wer jetzt Geld abhebt, ist gläsern: Der Aufsatz kopiert die Kartendaten, die zweite Tastatur speichert die PIN - und schon eine Stunde reicht an gut frequentierten Automaten aus, um die Kartendaten von 40 bis 60 Kunden zu stehlen. 2,5 Millionen Euro kostete das bayerische Banken allein im Jahr 2008.

"Die Täter haben dieses Zahlungsmittel voll im Griff", sagt Eduard Liedgens. Er ist Bayerns oberster Kämpfer gegen Zahlungskartenkriminalität. So heißen die Delikte im Amtsdeutsch des Landeskriminalamtes (LKA).

Liedgens zeigt einen Rauchmelder, den die Täter über der Tastatur platziert haben. Dahinter ein Fotohandy, das mit mehreren Akkus und einem großen Speicherchip ausgestattet ist.

Durch ein Loch filmt die Kamera jetzt stundenlang, welche PIN-Codes die Kunden eingeben. "Da hat man einfach keine Chance, etwas zu merken", sagt Liedgens - und nicht nur sein besorgter Blick zeigt, dass das für fast alle Tricks gilt, die die Automatendiebe immer aufs Neue entwickeln.

Nach ein, zwei Stunden entfernen die Täter ihre wertvollen Geräte wieder - im Gepäck die Kartendaten samt PIN-Nummern. Die lesen sie aus und schicken die Daten per SMS oder E-Mail ins Ausland. Dort spielen ihre Hintermänner die Daten auf Blankokarten - und heben an ausländischen Geldautomaten soviel ab, wie die Karte zulässt.

In Deutschland können sie mit den gefälschten Karten nichts anfangen. Hier schützt ein zusätzliches Sicherheitselement - das ausländische Automaten nicht abfragen. Deswegen werden die Summen immer im Ausland abgehoben. Schon 50-mal haben Täter seit Jahresbeginn in Bayern zugeschlagen. 22 Männer sitzen in Untersuchungshaft - 17 von ihnen kommen aus Rumänien.

Die Täter gehören fast alle zur organisierten Kriminalität. 2550 bayerische Kunden wurden 2008 um durchschnittlich je 2500 Euro erleichtert. Ein Jahr zuvor waren es noch deutlich weniger, nur 1363 Fälle. In ganz Deutschland, aber auch in Frankreich und Großbritannien sind die Verbrecher am Geldautomaten auf dem Vormarsch.

Am Geldautomaten werden Kunden damit viel häufiger zum Opfer als beim Online-Banking. Waren es 2007 noch bundesweit 470 manipulierte Automaten, stieg die Zahl im vergangenen Jahr mit 809 Fällen fast auf das Doppelte. Bayern bildet mit Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen einen der Schwerpunkte.

Der dickste Fisch ging den Fahndern vor einigen Tagen ins Netz: Allein im August 2008 hatte ein 37-jähriger Rumäne in München und einer Nachbargemeinde 300.000 Euro erbeutet.

Das LKA kooperiert in solchen Fällen eng mit den Kollegen in Rumänien. Denn dort sitzen auch die Drahtzieher. "Viele der Leute haben studiert. Als Informatiker kann man in Rumänien 200 Euro verdienen. Wer diese Geräte entwickelt, kann schnell mehrere hunderttausend Euro abschöpfen", sagt er.

Liedgens steht dem trotz der Fahndungserfolge machtlos gegenüber. Der Magnetstreifen in den Karten sei von gestern, "wir brauchen den intelligenten Chip". Die weltweite Umstellung werde Banken aber viele Milliarden Euro kosten - die Umstellung könne dauern.

Die Polizisten raten, die PIN immer verdeckt einzugeben und auch nie die Scheckkarte zu benutzen, um ins Bankfoyer zu gelangen. Schon dort lauern die Betrüger mit ihren Lesegeräten. "Nehmen Sie lieber eine Telefonkarte, das geht genauso gut", rät Liedgens.

Doch Betrüger nutzen auch das Internet, um arglosen Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Sie bieten zum Beispiel Computer und andere Elektrogeräte zu besonders günstigen Preisen.

Geht ihnen ein Schnäppchenjäger auf den Leim und überweist das Geld, wartet er vergeblich auf die Ware. "Immer dann, wenn die Angebote weit unter den üblichen Preisen liegen, ist höchste Vorsicht geboten", warnt Petra von Rhein, Juristin der Verbraucherzentrale Bayern.

Auf diese Weise seien bereits Millionen-Verluste entstanden. Denn die Ganoven verlangen "Vorkasse". Einen Hinweis auf Betrügereien liefert neben dem überraschend niedrigen Kaufpreis ein "unsauberes Impressum".

Fehlten eine postzustellfähige Adresse, der Name des Geschäftsführers, Widerspruchsbelehrung sowie Telefon- und Steuernummer, sei die Sache riskant.

© SZ vom 23.04.2009/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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