Kraftisried:Das verwaiste Rathaus

Lesezeit: 2 min

Kraftisried hat alles, was ein Dorf schön macht - nur keinen Bürgermeisterkandidaten. Denn die Aufgabe fordert gerade in kleinen Kommunen viel Kraft.

Mike Szymanski

Über Kraftisried im Allgäu gibt es eigentlich nur Gutes zu berichten. Das 770-Einwohner-Örtchen liegt malerisch zwischen Marktoberdorf und Kempten. Bei schönem Wetter sieht man die Berge, der Wirt hat noch nicht aufgegeben und hat dies auch nicht vor. Wenn im Dorf gefeiert wurde, sei auch immer ordentlich was los gewesen, erzählen die Leute. Man sollte also meinen, für dieses Fleckchen Allgäu einen Bürgermeister zu finden, könnte kein Problem sein. Es ist aber eins.

Nur Gutes zu berichten, aber kein Bürgermeister in Sicht: Gemeinde Kraftisried. (Foto: Foto: oh)

Hans Hartmann hat schon fast alle in Frage kommenden Bürger gefragt, ob sie seinen Job machen möchten. Seit 18 Jahren ist er Bürgermeister in Kraftisried, und er beteuert: "Ich habe das immer gern gemacht." Aber jetzt muss der 60-jährige parteifreie Landwirt aufhören. Seine Frau hatte 2007 einen Unfall und braucht ihn dringend.

Im September erklärte Hartmann im Gemeinderat, er werde am 2. März aufhören. Und seither sucht der Ort nach einem Nachfolger. Hartmann sagt, "der eine will nicht, der andere kann nicht". Sie seien schon im Gasthaus "Grüner Baum" zusammengehockt und hätten lange beraten. "Es reißt sich niemand um diesen Posten", sagt Hartmann. Jetzt steht die Gemeinde am 2.März buchstäblich mit leeren Wahlzetteln da.

Kraftisried ist einer der seltenen Fälle, in denen langes Überreden und Einwirken etwa auf die Vereinsvorsitzenden im Dorf offenkundig nichts genützt hat. Kleine Gemeinden wie Kraftisried tun sich mittlerweile sehr schwer, überhaupt noch Leute zu finden, die ihnen ehrenamtlich den Bürgermeister machen. Die Aufwandsentschädigung, die bei mageren 362 Euro im Monat beginnt, lockt niemanden. Davon kann man nicht leben.

Andererseits fordert der Job selbst in kleinen Gemeinden wie Kraftisried immer mehr Einsatz. Immer häufiger leisten sich Kommunen mit weniger als 5000 Einwohnern einen hauptamtlichen Gemeinde-Chef, weil es sonst keiner mehr machen will. Ried im Kreis Aichach-Friedberg ist so ein Fall. Dort hatte Bürgermeister Anton Drexl im Gemeinderat durchgesetzt, dass die 3000 Bürger künftig einen Berufsbürgermeister bekommen sollen. Kostenpunkt 80000 Euro im Jahr. Drexl sagte zur Begründung, er arbeitet montags bis freitags von 8 bis 17Uhr. Mit einem Nebenjob habe das nichts mehr zu tun.

Für Kraftisried ist das kein Modell. Dazu ist die Gemeinde zu klein. Nun kommt in der Gemeinde für den Wahltag ein eher seltenes Verfahren zur Anwendung, das unter Artikel 40 im Gemeindewahlgesetz geregelt ist: Jeder Bürger kann am 2.März den Namen eines Bürgers notieren, den er sich als Bürgermeister wünscht. "Die absolute Mehrheit entscheidet dann", sagt ein Sprecher des Innenministeriums. Der Auserwählte könne dann nur noch aus "wichtigem Grund" den Posten ablehnen. Sollte dies geschehen, stünden Neuwahlen an. Soweit aber hat Hans Hartmann den Fall noch gar nicht durchgespielt und auch das Ministerium beruhigt. "In der Praxis hat dann doch irgendwer noch gesagt, dann macht er halt den Bürgermeister."

© SZ vom 20.02.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: