Konstantin Wecker im Interview:"Ich habe noch viele finanzielle Verpflichtungen"

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Der Liedermacher über seinen anstehenden 60. Geburtstag, die Wirkung seiner Musik und den "Herdplattenanfasser" Wecker.

Frage: Soeben erschien Ihr Buch "Die Kunst des Scheiterns". Wie darf man den Titel verstehen?

Leidermacher und nach Selbstauskunft "Revoluzzer": Konstantin Wecker (Foto: Foto:)

Konstantin Wecker: So viele Menschen haben Biographien aus Sicht ihrer Erfolge geschrieben, deswegen wollte ich das andersrum machen. Im Laufe meines Lebens habe ich gemerkt, dass mich die Niederlagen weitergebracht haben und ich aus ihnen viel mehr gelernt habe.

Frage: Also fast eine "Lust am Scheitern", wie Sie schreiben?

Wecker: Während man drin steckt, ist es außerordentlich unangenehm. Aber nachher verklärt sich der Blick fast. Nicht, dass Erfolge nutzlos sind oder man sich nicht nach ihnen sehnt. Aber im Nachhinein bleiben Niederlagen als viel entscheidenderes Erlebnis. Die großen Wandlungen in meinem Leben haben sich ausschließlich daraus ergeben.

Frage: Wie die Verhaftung und Verurteilung wegen Drogenbesitzes in den 90ern?

Wecker: Das war der entscheidendste Einschnitt in meinem Leben. Weil ich dadurch die Möglichkeit hatte, wieder zu mir zu finden. Aber das ist nur möglich, wenn man bereit ist, die Verantwortung ganz auf sich zu nehmen.

Frage: Wie fällt ihre Bilanz heute aus?

Wecker: Die Freude kann im Leben eigentlich nicht überwiegen, obwohl ich der Meinung bin, dass ich viel Glück gehabt habe. Allein, dass ich diese Biographie schreiben kann, ist doch erstaunlich, wenn man bedenkt, was ich alles durchgemacht habe.

Frage: Sie beschreiben sich als "Herdplattenanfasser".

Wecker: Ich konnte mit Erfahrungen anderer nie viel anfangen, wollte sie immer selbst machen. Wenn jemand zu mir sagte: Da ist's heiß, dann hab ich das erst mal nicht geglaubt und musste es selbst ausprobieren. Das war nicht immer leicht aber dann hab ich's wenigstens gewusst.

Frage: Zum Beispiel?

Wecker: Da gibt es unzählige. Die Droge, wo alle zu mir gesagt haben: Fang ja nicht an damit! Oder viele haben mich gewarnt, ich soll, wenn ich nicht selbst hinter dem Tresen stehe, keine Wirtschaft aufmachen. Ich habe kein Wort geglaubt, und am Ende führte es zu einem finanziellen Desaster.

Frage: Sie sagen, sie seien als Sänger angetreten, um die Welt zu verändern. Ist es Ihnen geglückt?

Wecker: Nein, die Welt hab ich ganz bestimmt nicht verändert. Jede Menge Idioten haben die Welt verändert, aber nicht ich. Aber viele Menschen haben mir gesagt, ich hätte doch etwas bewirkt bei ihnen selbst: Ich hätte sie dazu gebracht, sich politisch zu engagieren. Das ändert die Welt nicht, aber es hilft ein bisschen. Ein Revoluzzer bin ich immer noch.

Frage: Schon als Kind haben Sie Ausreißversuche unternommen, nennen sich einen Vagabunden". Sind Sie jetzt angekommen?

Wecker: Nein, angekommen bin ich nicht. Am Anfang, wenn man Kinder hat, glaubt man das vielleicht. Aber dann merkt man, mit welcher Vehemenz Kinder lebendig und eigenständig sind, und in dem Moment hört das Ankommen schon wieder auf.

Frage: Wie verbringen Sie Ihren Geburtstag?

Wecker: Auf der Bühne. Das ist für mich immer die schönste Art zu feiern gewesen, dort fühle ich mich am allerwohlsten. So ist es mir allemal lieber als irgendeine Party, wo Reden geschwungen werden. Das wird mein Geburtstagsfest.

Frage: Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?

Wecker: Im Herbst mache ich zum ersten Mal im Leben eine Art Jubiläumstournee, "Zugaben", mit vielen alten Liedern. Die Leute wollten das schon lange, und zu diesem Anlass kann man das auch mal machen.

Frage: Mit 60 geht mancher in den Ruhestand. Ans Aufhören denken Sie aber nicht?

Wecker: Ich könnte gar nicht: Ich habe noch viele finanzielle Verpflichtungen, habe es versäumt, fürs Alter vorzusorgen. Manchmal wird man schon nervös, wenn gerade mal wieder nichts auf dem Konto ist. Aber Existenzängste plagen mich nicht. Ich bin nicht unglücklich darüber, dass es so gekommen ist, dass ich arbeiten muss, um meine Familie zu ernähren. Es ist ein Punkt, der mich am Ball hält. Auf der anderen Seite gibt es so viel schöne Sachen zum Beispiel, als ich die Musik für die Faust II-Inszenierung in Bad Hersfeld gemacht habe. Das sind Dinge, mit denen ich nie aufhören möchte, so lange ich noch die Kraft habe.

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