Kommunalwahl 2008:Das Eintrittsbillett für Lokalpolitiker

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Wer in der Kommunalpolitik Erfolg haben will, der kommt an den örtlichen Vereinen und der Freiwilligen Feuerwehr nicht vorbei.

Dietrich Mittler

Die Nebelschwaden, die aus den Ackerböden rund um Unterweilbach im Kreis Dachau aufsteigen, wälzen sich durch den Ort, verschlucken Haus um Haus. Marianne Klaffki, die als SPD-Kandidatin gegen den Dachauer Landrat Hansjörg Christmann (CSU) antritt, muss in der Dunkelheit die letzten Meter zum Feuerwehrhaus über eine nicht asphaltierte Straße zurücklegen.

Ohne die Freiwillige Feuerwehr geht in den Kommunen vor Ort oft nichts. (Foto: Foto: dpa)

Seit zwölf Stunden ist sie bereits auf Wahlkampftour, hat Wähler an der Haustür über ihre politischen Ziele informiert und könnte jetzt eigentlich gut und gerne Feierabend machen. Doch am Feuerwehrhaus in Unterweilbach kommt vor der Kommunalwahl keine Partei vorbei.

Wer in der Lokalpolitik etwas erreichen will, sollte sich mit den Vereinen gutstellen. Das weiß Klaffki nur zu genau. Im Kreis Dachau läuft das politische Geschäft in Wahlkampfzeiten nicht anders ab als im übrigen Bayern, wo derzeit Lokalpolitiker aller Couleur den 7750 Freiwilligen Feuerwehren und den mehr als 11.800 Sportvereinen ihre Aufwartung machen.

Immerhin haben die Freiwilligen Feuerwehren im Freistaat 320.000 Mitglieder, die Sportvereine sogar mehr als 4,3 Millionen - wertvolle Wählerstimmen. Und nicht nur das: Aus ehrenamtlichen Organisationen rekrutieren die Parteien mit Vorliebe ihren lokalpolitischen Nachwuchs.

"Du, wo is'n dei Babba?"

"Vereine dienen nach wie vor als eine Art Eintrittsbillett für die Übernahme politischer Aufgaben auf lokaler Ebene", sagt Annette Zimmer. Die Professorin am Institut für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat mit Freia Stallmann und Friedrich Paulsen die engen Verknüpfungen zwischen Vereinswesen und Lokalpolitik untersucht.

"Vereine", so ihr Fazit, "wirken nicht nur als Schule der Demokratie, in denen man das Geschäft der Politik kennenlernt, sondern auch als wesentliche Orte des Erwerbs von Kompetenzen, auf die im politischen Mandat zurückgegriffen werden kann." Vielfach, so stellte Zimmer fest, würden Vereinsengagement und lokalpolitische Tätigkeit in den Familien von einer Generation auf die nächste übertragen.

Da macht Unterweilbach keine Ausnahme. Der Ortsteil der Gemeinde Hebertshausen mag zwar nur gut 150 Einwohner haben, ist aber alles andere als weltfern. Bevor Klaffki den Raum betritt, kündet davon ein Dialog von Tisch zu Tisch. "Du, wo is'n dei Babba?" - "Der is ned dahoam!" - "Wo is er'n?" - "Buenos Aires." - "Buenos Aires?" - "Buenos Aires!" Der Befragte ist Franz Schmidt junior.

Er sitzt wie Marianne Klaffki für die SPD im Gemeinderat von Hebertshausen. Nach seinem Vater hält nun er die Fahne der Sozialdemokratie hoch. "Echte Arbeiteraristokratie", sagt Klaffki. Das Kraftzentrum im Raum sitzt indes eindeutig unter der aus Holz geschnitzten Figur von St. Florian: Ludwig Göttler, der frühere Feuerwehrkommandant von Unterweilbach.

Unter seiner Führung wurde vor mehr als 20Jahren das Feuerwehrhaus gebaut, ein Musterbeispiel für die Stellung der Freiwilligen Feuerwehr auf dem Land: "Mir san da um zwoa Meter übern Bauplan nausganga, weil sonst waar des Haus ja z' kloa für unsere Bedürfnisse gewesen. Aber mir ham scho a paar Gemeinderäte g'habt, de dees für uns durchboxt ham." Fast bedauernd fügt er hinzu: "Heit hättn mir des Heisl nimma so baun derfa."

Das sieht der Bürgermeister von Hebertshausen ähnlich. Selbst der Feuerwehr werden nicht mehr alle Wünsche erfüllt. Doch Michael Kreitmeir fügt hinzu: "Es wird in Bayern keinen Bürgermeister geben, der an der Freiwilligen Feuerwehr vorbei will. Das wäre unklug."

Zu groß sei ihre Bedeutung, insbesondere was technische Hilfeleistungen betrifft. Immerhin führt durch Hebertshauser Gemeindegebiet die ICE-Strecke von München nach Nürnberg. "Gott sei Dank ist da noch nix passiert", sagt Kreitmeir. Aber er wüsste, auf seine Feuerwehrleute kann er sich verlassen.

Säulen des Gemeindelebens

Umgekehrt heißt das: Zuverlässigkeit hat ihren Preis. Hebertshausen mit insgesamt 15 Ortsteilen hat gleich vier Freiwillige Feuerwehren, die größte davon im Hauptort. Vor der Haushaltssitzung, so erzählt der Bürgermeister, kommt er mit den Kommandanten der Wehren zusammen.

"Meist haben die ihre Listen vorbereitet, und die gehen wir dann zusammen durch", sagt er. Hundertprozentig könne er die Wünsche nicht erfüllen. "Aber wir haben immer einen Konsens gefunden." Keine Frage also, dass die Freiwillige Feuerwehr Hebertshausen ihr neues Haus bekommen wird.

Kreitmeir betont indessen, dass die Feuerwehren längst nicht die einzige Säule sind, auf der das Gemeindeleben ruht. In Hebertshausen gibt es gleich zwei große Sportvereine, jede Menge Schützenvereine, die Krieger- und Soldatenkameradschaft, einen Verein zum Erhalt der alten Pfarrkirche St.Georg, den Obst- und Gartenbauverein, eine Böllerschützenkompanie, die Kegler, die Tennisspieler.

Kreitmeir bräuchte einen langen Atem, um sie alle aufzuzählen. Doch er ist in nahezu allen diesen Vereinen Mitglied. "Da bekommst du als Bürgermeister einen Aufnahmeantrag, und den hast du dann zu unterschreiben", sagt er.

Und dann ist da auch noch der Herr Pfarrer. Die jetzige Pfarrkirche "Zum allerheiligsten Erlöser" braucht eine neue Orgel. "Da werden wir ein bisschen in die Tasche greifen müssen", sagt Kreitmeir. Auch als Pater Josef Königer eine Romreise von 38 Ministranten und zwölf erwachsenen Begleitern organisierte, gab der Herr Bürgermeister einen "kleinen Zuschuss" aus seinen Verfügungsmitteln.

So wie die Pfarrgemeinde sind auch die meisten anderen Organisationen in Hebertshausen nicht zuletzt durch ihre Jugendarbeit für die Lokalpolitik unverzichtbare Partner - vor allem die Sportvereine. Kreitmeirs politische Karriere offenbart unterdessen einen weiteren gewichtigen Faktor im ländlichen Gemeindeleben: die Landwirte.

Der 59-Jährige war zehn Jahre lang Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes und darüber hinaus noch Vorsitzender des Maschinenrings. "Da lernt man viele Leute kennen, ihre Sorgen und Nöte", sagt er. Lokalwahlen sind nun einmal Persönlichkeitswahlen.

Die Zeichen stehen gut

Für die Kommunalpolitik interessierte sich Kreitmeir bereits als junger Mann, wollte "etwas bewegen, nicht nur kritisieren". Zunächst war die CSU seine politische Heimat, seit 1989 dann der Freie Bürgerblock. In seiner Gemeinde gibt es viele junge Menschen mit ähnlichen Ambitionen. "Man muss sich einbringen, darf das Feld nicht nur Leuten überlassen, die sich politisch engagieren", sagt Andreas Schaller, der 1. Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Hebertshausen.

Er kandidiert zusammen mit Georg Roth, dem 2. Kommandanten, auf der CSU-Liste für den Gemeinderat. "Viele unserer Leute haben schon gesagt, meine Stimme kriegt ihr", sagen beide. Die Zeichen stehen gut für sie: Georg Roths Vater zum Beispiel war lange Jahre Zweiter Bürgermeister von Hebertshausen - und Feuerwehrkommandant.

© SZ vom 26.02.2008/sekr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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